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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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austauschten, nicht zuletzt auch Geschichten über den Minister, über seine Fummeleien und seine langwierigen, gelegentlich auch vergeblichen Bemühungen beim Sex. Er war ein kluger Mann, konnte manchmal auch gutmütig sein, hatte als Boss aber ausgeprägt schlechte Seiten. Die würde Ming jedoch heute gar nicht wahrnehmen. Ihr Lächeln war süßer denn je, und ihre Augen funkelten wie kleine Diamanten. Das fiel den anderen auf und sie alle hatten Ähnliches schon gesehen, aber noch nie bei Ming, deren Liebesleben sehr kurz kam, weil der Minister, der als ihr Liebhaber galt, sie nur selten befriedigen konnte und wenn, dann nur halbwegs. Sie saß an ihrem Computer und übersetzte wie immer ausländische Zeitungsartikel, die den Minister interessieren mochten. So gut wie Ming beherrschte im ganzen Haus kein anderer die englische Sprache, und das neue Computersystem funktionierte hervorragend. Demnächst, so hieß es, würde es einen ansprechbaren Computer geben, der stimmliche Befehle in Schriftzeichen umsetzen konnte, was bestimmt viele Sekretärinnen auf der Welt überflüssig und arbeitslos machen würde. Doch vielleicht auch nicht. Denn ein Chef konnte mit einem Computer keine Bettgeschichten haben, oder? Minister Fangs Lust hielt sich allerdings in Grenzen. Seine Dankbarkeit, die sich in Geschenken äußerte, war da schon etwas größer.
    Für ihre erste Aufgabe an diesem Morgen ließ sich Ming wie üblich 90 Minuten Zeit. Danach druckte sie aus, was sie übersetzt hatte, und heftete die Kopien und die jeweiligen Artikel zusammen. Heute hatte sie Abschnitte aus der Times of London , The New York Times und The Washington Post übersetzt, damit der Minister wusste, was die Barbaren dieser Welt über die erleuchtete Politik in der Volksrepublik dachten.
     
    Minister Fang war in seinem Büro mit anderen Dingen beschäftigt. Dem MSS lagen Berichte vor, wonach in Russland Öl- und Goldvorkommen entdeckt worden waren. Aha, dachte er, Zhang hatte also Recht behalten. Ostsibirien schien tatsächlich eine Schatzkammer zu sein, voller Rohstoffe, die jeder brauchte – Öl als der Lebenssaft moderner Gesellschaften und Gold als Währungsgrundlage und zunehmend auch als Material für industrielle und wissenschaftliche Zwecke. Und beides hatte dort im hohen Norden eine jeweils separate Lagerstätte. Was für ein Jammer, dass ein solcher Reichtum Leuten zufiel, die nichts Vernünftiges damit anzufangen wussten! Es war wirklich paradox: Die Russen, die der Welt die Segnungen des Marxismus-Leninismus geschenkt hatten, waren in der praktischen Umsetzung dieser Lehre kläglich gescheitert und biederten sich jetzt dem Kapitalismus an. Fang steckte sich eine Zigarette an, heute schon die fünfte (er ging auf die siebzig zu und versuchte, den Konsum zu reduzieren), lehnte sich paffend in seinem Sessel zurück und dachte über den soeben gelesenen Bericht nach. Sibirien hatte, worauf Zhang schon seit Jahren zu Recht hinwies, all das, was die Volksrepublik dringend benötigte: Holz, Mineralien im Überfluss und weite, ungenutzte Landstriche, woran es China ganz besonders mangelte.
    China war schlicht und einfach überbevölkert, und das trotz aller drastischen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle und deren rigorose Durchsetzung. Diese Maßnahmen waren im Grunde ein unerhörter Affront gegen die chinesische Kultur, für die Kinder immer ein Segen gewesen war. Und der rächte sich ganz offenbar. Weil Eheleuten nur ein Kind gestattet war und die meisten einen Jungen haben wollten, kam es insbesondere in ländlichen Gegenden nicht selten vor, dass man kleine Mädchen einfach verschwinden ließ. Für die Gründe hatte Fang Verständnis. Ein Mädchen wurde großgezogen, um schließlich, von einem Mann zur Frau genommen, das elterliche Haus zu verlassen, während bei einem Jungen darauf Verlass war, dass er später seine Eltern versorgen und beschützen würde.
    Das war auch in Fangs Familie der Fall gewesen. Er hatte ganz selbstverständlich dafür gesorgt, dass seine Mutter und sein Vater einen geruhsamen Lebensabend verbringen konnten, denn das war Pflicht und Schuldigkeit eines Kindes denen gegenüber, die ihm das Leben geschenkt hatten. Selbstverständlich war auch, dass sich Fang um die Eltern seiner Frau gekümmert hatte – wenn auch weniger intensiv als um die eigenen –, zumal deren Sohn als junger Mann im Koreakrieg gegen die Amerikaner gefallen und die Tochter, Fangs Frau, schon früh am Herzschlag gestorben war.
    Dass der Wert

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