Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Alaska und Kanada entdeckt haben. Uns stellt sich vor allem die Frage, wie wir das Öl am besten auf den Markt schaffen. Wir werden natürlich eine Pipeline vom Lager nach Wladiwostok verlegen, vielleicht auch eine nach St. Petersburg, um den europäischen Markt zu bedienen. Wahrscheinlich werden die Europäer, insbesondere die Deutschen, eine solche Pipeline für uns bauen, um einen Preisnachlass auf das Öl zu bekommen. Sergei, wenn wir das Öl 20 Jahre früher gefunden hätten …«
»Tja …« Was Solomentsew sagen wollte, war nicht schwer zu erraten: Die Sowjetunion wäre nicht untergegangen, sondern stärker geworden. Golowko aber machte sich keine Illusionen. Die Sowjetregierung hätte wahrscheinlich auch eine solche Chance vertan. Sibirien war 70 Jahre lang im Besitz der Union gewesen, doch niemand hatte sich auf den Weg gemacht, um nachzusehen, was es dort so alles zu finden gab. Dem Land hatte es einfach an Spezialisten für solche Aufgaben gefehlt, und man war viel zu stolz gewesen, das Ausland um Hilfe zu bitten. Nicht der Kommunismus hatte die UdSSR zugrunde gerichtet, auch nicht der Totalitarismus. Es war vielmehr dieses perverse Getue um Mütterchen Russland, das einem Minderwertigkeitskomplex entsprang, der wohl nicht erst im Haus der Romanows seinen Ursprung hatte, sondern noch viel weiter zurückreichte. Der Tod der Sowjetunion war ebenso selbst verschuldet wie ein Selbstmord, er hatte sich nur langsamer vollzogen. Dafür aber um so unausweichlicher. Golowko ließ die folgenden 90 Sekunden historischer Spekulation geduldig über sich ergehen, obwohl diese von jemandem angestellt wurde, der überhaupt keinen Sinn für Geschichte hatte. Dann sagte er: »Schön und gut, Wasili Konstantinowitsch, aber was ist mit der Zukunft, der Zeit, die uns bevorsteht?«
»Da haben wir wohl nichts zu befürchten, Sergei. Unser Land ist gerettet. Es wird wahrscheinlich noch an die zehn Jahre dauern, ehe wir die Sahne abschöpfen können, aber dann haben wir eine stetig sprudelnde Einnahmequelle, und das für viele, viele Jahre.«
»Brauchen wir Hilfe? Und wenn ja, von wem?«
»Die Amerikaner und Briten haben die nötigen Erfahrungen aus der Förderung ihrer eigenen Vorkommen in Alaska. Sie haben das Spezialwissen. Das werden wir uns aneignen und nutzbringend anwenden. Wir verhandeln schon mit der amerikanischen Mineralölgesellschaft Atlantic Richfield in Sachen technische Unterstützung. Die sind ziemlich unbescheiden, was aber zu erwarten war. Ihnen ist natürlich bewusst, dass nur sie haben, was wir dringend brauchen, und das zu kaufen ist billiger für uns, als auf die Schnelle eine adäquate Eigenleistung zu erbringen. Also werden sie ihre Forderungen durchsetzen können. Vielleicht bezahlen wir sie mit Goldbarren«, schlug Solomentsew vor.
Golowko widerstand der Versuchung, das Thema des Goldfundes zu vertiefen. Gold war zwar hübscher anzusehen als das Ölvorkommen, aber weniger lukrativ. Auch er hätte gern die Felle gesehen, mit denen dieser Hinterwäldler Gogol den Goldstaub gesammelt hatte. Und man würde sich seiner annehmen müssen – kein Problem, denn er lebte allein und war kinderlos. Und weil er bereits fortgeschrittenen Alters war, stand zu erwarten, dass er schon bald dem Staat ein großes Erbe hinterlassen würde. Vielleicht würde ein Fernsehfeature oder sogar ein Film über diesen einsamen Jäger gedreht werden. Als jemand, der früher Deutsche gejagt hatte, stünde Pawel Petrowitsch Gogol in der Öffentlichkeit als Held da, und das würde ihn gewiss glücklicher machen als sein unverhoffter Reichtum, oder?
»Weiß Eduard Petrowitsch schon was?«
»Nein. Ich wollte ihm erst Bescheid geben, wenn die Informationen verlässlich überprüft sind. Das ist jetzt der Fall. Er wird auf der nächsten Kabinettsitzung Grund zum Jubeln haben.«
Allerdings, dachte Golowko. Präsident Gruschawoi arbeitete seit drei Jahren so fleißig wie ein einarmiger und einbeiniger Tapezierer. Nein, eher wie ein Magier, der gezwungen ist, nützliche Dinge aus dem Hut zu zaubern. Und dass er die Nation tatsächlich ein Stück in Bewegung gebracht hatte, grenzte wahrhaftig an Zauberei. Vielleicht hatte der Herrgott ein Erbarmen gehabt und diesen Mann endlich für seine Mühen belohnt. Allerdings würde nun jedes Ministerium an diesem Gold-und-Öl-Segen teilhaben wollen und überzeugend begründete Ansprüche anmelden, schwarz auf weiß, in glasklarer Logik und zwingender Beweisführung. Wer weiß, vielleicht
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