Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
können sie die Uhr nicht lesen oder sie brauchen ewig lange zum Anziehen und Schminken. Aber der wahrscheinlichste Grund für ihr Zuspätkommen ist die Überlegung, dass sie sich damit einen Vorteil verschaffen . Vielleicht ließ ein solches Verhalten Frauen umso wertvoller erscheinen – immerhin warteten die Männer auf sie, oder? Und wer wartete, durfte auf Zuneigung hoffen. Wer aber nicht zu warten bereit war, würde sich die Zuneigung nicht nur verscherzen, sondern statt ihrer Schlimmes zu erwarten haben.
Chester Nomuri, Verhaltensforscher , dachte er prustend und schaute in den Spiegel.
Was soll’s, Mann, vielleicht muss sie Überstunden machen oder sie ist im Stau stecken geblieben oder irgendeine Kollegin hat sie gebeten, beim Umzug zu helfen . Siebzehn Minuten. Er pulte noch eine Kool aus der Schachtel und steckte sie mit dem hübschen Feuerzeug an. Der Osten ist rot , dachte er. Wie mittlerweile kein anderes Land mehr … ach, wie stolz könnte Mao sein …
Wo bist du?
Nun, falls derjenige oder diejenigen, die ihn für das MSS beschatteten, nicht von Anfang an gewusst hatten, was Nomuri hier tat, würden sie jetzt mittlerweile zumindest ahnen, dass er auf eine Frau wartete und wohl deshalb so verzweifelt dreinblickte, weil ihn diese Frau verhext hatte.
Machst du dir etwa darüber Sorgen, dass du heute nicht mehr zum Schuss kommst, du Arschloch?
Dreiundzwanzig Minuten zu spät. Er drückte die Kippe aus und steckte sich eine andere an. James Bond hatte solche Probleme nie , dachte Nomuri. Mr. Kiss-Kiss Bang-Bang hatte seine Frauen immer im Griff – und falls es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass Bond nicht mehr als eine Fantasiegestalt war, dann lag der nun hier auf der Hand!
Nomuri war so tief in Gedanken, dass er Ming nicht kommen sah. Erst als er ein zages Tippen auf der Schulter spürte, merkte er auf und drehte sich um.
Sie strahlte übers ganze Gesicht und freute sich offenbar, ihn überrascht zu haben. Ihre Augenwinkel krausten sich verschmitzt.
»Tut mir schrecklich Leid, dass ich mich verspätet habe«, beeilte sie sich zu sagen. »Fang hatte noch Schreibarbeit für mich. Darum bin ich nicht früh genug weggekommen.«
»Ich sollte mal ein ernstes Wort mit dem alten Knaben reden«, sagte Nomuri gespielt streng und straffte die Schultern.
»Wie du schon sagst, er ist ein alter Mann und kann nicht mehr gut hören.«
Ach was, der alte Sack will nicht hören , dachte Nomuri. Wie jeder Boss seines Alters war Fang an den Wünschen anderer wahrscheinlich überhaupt nicht mehr interessiert.
»Also, was würdest du gern zu Abend essen?«, fragte Nomuri.
»Ich habe gar keinen Hunger«, antwortete sie und verriet mit ihren dunklen, funkelnden Augen, worauf sie stattdessen Appetit hatte. Nomuri kippte den letzten Schluck, drückte die Zigarette aus und machte sich mit ihr auf den Weg.
»Na und?«, fragte Ryan.
»Reicht das nicht? Das sind schließlich keine guten Nachrichten«, sagte Arnie van Damm.
»Kommt drauf an, von welcher Warte man das sieht. Wann soll es zur Anhörung kommen?«
»In knapp zwei Monaten. Und wenn mich nicht alles täuscht, werden die gestrengen Herren Richter, die Sie ernannt haben, ganz heiß darauf sein, über Roe herzufallen.«
Jack lehnte sich in seinem Sessel zurück und schmunzelte seinem Stabschef zu. »Was ist daran so schlecht, Arnie?«
»Weil es da draußen eine Menge Leute gibt, die gern selbst entscheiden würden, ob sie abtreiben oder nicht. Sie nennen das ›Freie Wahl‹, und das ist bislang auch gesetzliche Grundlage.«
»Vielleicht wird sich das ändern«, bemerkte der Präsident hoffnungsvoll und blickte wieder auf seinen Terminkalender. Gleich würde der Innenminister kommen, um sich mit ihm über das Thema Nationalparks auszutauschen.
»Das wäre wahrhaftig nicht zu begrüßen. Zumal Ihnen der Schwarze Peter zugeschoben würde.«
»Gegebenenfalls werde ich schon deutlich darauf aufmerksam machen, dass ich nicht zum obersten Gerichtshof gehöre und geflissentlich davon Abstand halte. Und wenn der so entscheidet, womit wohl zu rechnen ist, werden die Parlamente der einzelnen Bundesstaaten darüber neu zu verhandeln haben, ob es den Wählern überlassen bleiben soll, ungeborenes Leben abzutreiben oder nicht. Ich habe vier Kinder, Arnie, ich war jedesmal dabei, wenn eins zur Welt kam, und werde mir nicht unwidersprochen von Ihnen sagen lassen, dass Abtreibung gut ist!« Sein viertes Kind, Kyle Daniel, war während seiner
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