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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freunde sich ihm näherten, ließ er den Sack im Stich und wetzte los. Nicht etwa auf sie zu, sondern von ihnen fort.
    »Bär«, rief Rockwell, »ich bin's, Herrchen!«
    War es schlechtes Gewissen? Der süße Geschmack der Freiheit? Angst vor Strafe? Der Bär lief los, die Männer hinterher.
    Als sie am Sack vorbeikamen, nahm Rockwell ihn auf. »Ich werd' verrückt«, sagte er, als er hineingeguckt hatte.
    »Wo hat er die denn her, um Gottes willen?!« murmelte Powell.
    Der Bär lief zum Bauernhof zurück. Den Weg kannte er. Aber hinter ihm erklangen nun die vertrauten Stimmen. Er war ziemlich ratlos. In dem zerstörten Haus setzte er sich, mit dem Rücken zu einem Mauerrest, auf die Hinterbeine. Notfalls würde er kämpfen. Man mußte abwarten!
    Aber nun näherten sich seine beiden bekannten Menschen, mit schmeichlerischen Stimmen kamen sie heran. Er brummte ein bißchen unwillig, richtete sich auf, bereit zuzubeißen. Dann war der vertraute Duft in seiner Nase. Kein Fressenduft, sondern Menschenduft. Vertraut. Anheimelnd.
    William Rockwell streckte vorsichtig die Hand aus. »Du hast ja was abbekommen, Bär«, sagte er leise und mit ganz, ganz weicher Stimme. »Sie haben geschossen, ja? Dich getroffen, ja? Aber nicht schlimm, oder?«
    Der Bär ließ sich anfassen. William zog die Kette aus der Tasche und machte sie am Halsband fest. Der Bär ließ sich wie ein Hündchen an die Leine legen. Powell staunte.
    »Ich werde ihm beibringen, einen Stahlhelm zu tragen, Herr Oberleutnant«, sagte William forsch.
    Dann lachten beide Tränen vor Erleichterung. Sie hatten ihren Bären wieder!
    Die Sensation ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Nachdem sie ihr Maskottchen vorsichtig untersucht und festgestellt hatten, daß es sich bei der Verwundung um einen kleinen Splitter eines Schrapnells gehandelt haben mochte und daß offenbar weiter nichts passiert war, sahen sie sich mit der Routine und Aufmerksamkeit erfahrener Frontsoldaten um. Es war leicht, das Verpflegungsdepot zu finden.
    Sie standen da wie Moses, als der Dornbusch brannte. Die Rettung! Dies war die Rettung!
    »Jetzt weiß ich, woher er seine Datteln hatte«, sagte Powell.
    »Weil er so satt ist, war er auch gleich so friedlich«, ergänzte Rockwell.
    »Wir müssen Meldung machen«, überlegte Powell.
    »Vielleicht können wir aber schon ein, zwei Decken und ein paar Dosen Schweinefleisch mitnehmen, Herr Oberleutnant.«
    Mit feuchten Augen sahen sie einander an.
    »Menschenskind, William!« sagte Powell. »Zuerst organisieren wir natürlich einen angemessenen Transport zur dritten Kompanie. Dann machen wir Meldung. Schließlich hat unser Bär das Lager entdeckt. Das wäre doch noch schöner!«
    »Gute Idee!«
    »Hoffentlich kommen wir heil zurück. Wäre doch eine Bosheit des Schicksals, wenn wir im Besitz dieser Erkenntnis nicht durchkommen würden!«
    »Das schaffen wir schon.«
    Powell zeigte auf den Bären, der sich wie eine Ziege am Strick ziehen ließ. »Und wenn er Schwierigkeiten macht?«
    Sie überlegten. Dann war die Entscheidung klar.
    Sie machten den Bären an einem Pfeiler fest, warfen ihm Decken hin und nahmen erst einmal selber ein üppiges Mahl ein, versäumten auch nicht, ein Fläschchen Wein zu öffnen, indem sie ihm den Hals abschlugen und das edle Naß durch ein Taschentuch in eine Blechbüchse filterten.
    Sie warteten auf die Dämmerung. Dann machten sie sich zu dritt auf den Weg, bepackt und glücklich. Rockwell hatte sich Datteln in die Taschen gesteckt, und wenn der Bär Zicken machen wollte, gab er ihm eine der Früchte.
    Die Ankunft im eigenen Unterstand wurde zum Triumph. Die Nachricht verbreitete sich bei der 3. Kompanie wie ein Lauffeuer: Der Bär ist zurück. Er hat ein Lebensmitteldepot entdeckt, das die Franzosen aufgegeben haben. Ein vergessenes, angeblich längst zerstörtes Lebensmitteldepot aus dem Jahr 15 oder 16. Aber mit feinstverpackten Lebensmitteln. Sogar das Brot soll noch schmecken. Sie hatten es in Silberpapier verpackt. Vive la France! Ein Volk von Feinschmeckern!
    Nachts wurde ein Teil der Beute in ihre Stellung geschafft. Sie würden die Vorräte möglichst unauffällig mitnehmen, wenn es morgen in die Etappe ging. Alle futterten und tranken. Das Bärenwunder mußte doch gefeiert werden.
    Shenessy wurde angeflachst. »Na, da ist dein Liebling ja wieder!« Natürlich wußte niemand, daß er ihn freigelassen hatte. Er selber schwankte zwischen schlechtem Gewissen und dem prickelnden Gefühl, daß sie ganz im

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