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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Überleben.
    Der Bär kümmerte sich nicht um die Säcke mit Mehl und die Kaffeebohnen, auch nicht um Wein und Cognac. Er zerriß mit einem Tatzenhieb einen Sack mit Mais und knautschte los, stöberte in einem Faß mit ranziger Butter, schlug sich zu hart geräucherten Würsten durch und entdeckte dann den Leitduft, das Beste: Säcke mit Dörrobst aus den französischen Kolonien.
    Feigen, Datteln! Absoluter Bärenhimmel.
    Er fraß und rollte sich auf einem Stapel Armeedecken zusammen. Mit der Pfote strich er sanft über die Stelle an der Stirn, die jetzt ein wenig schmerzte. Er konnte sie nicht mit der Zunge erreichen, das war unmöglich. Aber es kam nun nichts Nasses mehr heraus. Er war satt und müde. Eine Spur zu voll vielleicht, doch nicht überfressen. Ein Bär überfraß sich nie. Er wußte, wann er genug hatte. Oder jedenfalls sein bißchen mehr als genug.
    Der Bär schlief ein und ahnte natürlich nichts von der Aufregung, die er ausgelöst hatte.
    Als er morgens erwachte, war er noch satt. Er fühlte sich kräftig, geradezu köstlich. Drei Gefühle erfüllten ihn und plusterten sich auf, bis er sich ungeduldig erhob von seinem extraweichen Lager. Drei Gefühle: Leitmensch! Höhle! Beute!
    Er nahm den kleinen Dattelsack zwischen die Zähne und zottelte damit zur Treppe, schleppte ihn, rückwärts gehend, die Stufen hinauf, verließ den Bauernhof und machte sich auf, seinen Leitmenschen zu suchen und seine Nische in seinem Gatter, wo er schließlich wohnte und wo es ihm gut ging.
    Rockwell und Webbs waren entmutigt wieder umgekehrt. Sie warteten und wußten nicht, worauf. Mehrere Anrufe kamen, in denen aufgeregte Soldaten behaupteten, sie hätten den Bären gesehen. Oder jedenfalls habe sich etwas Braunes bewegt. Nun, nicht direkt braun, doch unzweifelhaft habe sich etwas bewegt. Ein Brummen sei da gewesen. Oder so etwas Ähnliches.
    Sie meinten es gut. Der Wunsch war der Vater ihrer Visionen.
    Dann kam ein Anruf, und der lautete ganz konkret: »Der Bär ist hier! Wir haben ihn deutlich gesehen! Er trug etwas in der Schnauze und hat bei einsetzendem Beschuß durch den Gegner offenbar eine Deckung aufgesucht.«
    Rockwell war elektrisiert. Er ließ sich den genauen Standort durchsagen. »Hank«, rief er Webbs zu, »er ist da!«
    Aber hier zeigten sich die Unterschiede im Charakter der Freunde. Webbs war entmutigt, Rockwell angefeuert von neuer Hoffnung. Webbs hielt den Anruf für eine Irreführung wie die anderen auch, möglicherweise sogar von einem Spaßvogel absichtlich ersonnen. Er war völlig erschöpft. Die ersten Anzeichen der ruhrartigen Erkrankung, die vom Hunger und der fettlosen Ernährung herrührte, hatten sich bei ihm gezeigt: aufgedunsener Bauch, Schmerzen, Durchfall, Schwäche, Schüttelfrost, Hoffnungslosigkeit.
    Rockwells Konstitution war etwas besser. Außerdem beflügelte ihn die Hoffnung neu. Die Wiedererlangung ›seines‹ Bären erschien ihm lebensnotwendig. Nicht nur er, sondern auch die Kameraden fühlten sich gestärkt durch die Anwesenheit der unschuldigen Kreatur. »Die Sache stimmt. Ich weiß es«, sagte er eigensinnig. »Diesmal stimmt die Nachricht!«
    Webbs schüttelte den Kopf.
    Aber Powell, der kleine Draufgänger, dachte genau wie Rockwell. »Wir haben ihn einmal gefunden. Wir finden ihn ein zweites Mal«, sagte er mit sehr heller, schneidiger Stimme. Und er reckte sich um einige Zentimeter.
    Also brachen der Oberleutnant Dick Powell und der Gefreite William Rockwell einträchtig auf, ihren Bären heimzuholen.
    Sie schlugen sich vorsichtig durch zu den rückwärtigen Stellungen. Das Land war weit und unheimlich fremd.
    »Hier muß es irgendwo sein«, stellte Powell fest. Er hatte seine handgezeichnete Skizze der Landschaft und der Stellungen dabei.
    »Jawohl, Herr Oberleutnant. Aber wo?«
    »Da ist der Bauernhof, von dem sie gesprochen haben!« rief Powell.
    William kniff die hellen Augen zusammen und richtete sich ein wenig auf. Er sah sehr germanisch aus, blond, breitschultrig, blonde Bartstoppeln, braunrote Haut. Er glich in diesem Augenblick verblüffend einem Westernhelden, einem Trapper, einem der Männer, die Kanada in Besitz genommen hatten.
    »Und da ist der Bär von St. Jules, Herr Oberleutnant«, sagte er ruhig. Er hatte es ja gewußt!
    Powell guckte in die Richtung. »Das gibt's nicht!« flüsterte er. Wahrhaftig: Ihr Bär schlängelte sich durch das Gelände. Aber rückwärts! Er zog mit den Zähnen erbittert etwas hinter sich her. Als seine beiden menschlichen

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