Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Liebe«, erklärte er höhnisch, »da erweist sich die Qualität eines Liebhabers auch erst wirklich, wenn er nichts als sich selbst zu bieten hat.«
    »Aber manche Liebhaber sind nicht einmal mit Scheckbuch und Bargeld erfolgreich oder, in diesem Falle, mit Datteln«, konterte Powell. »Wie Sie, Kamerad.«
    Webbs versuchte, das Ziel des Bären mehr vom wissenschaftlichen Standpunkt aus anzupeilen. Er hatte fraglos Hunger gelitten, wie sie alle. Doch mußte ein Bär nach der Winterruhe davon besonders stark betroffen sein. Folglich würde er versuchen, Futter zu finden. Aber wo? Wo, um des Himmels willen, war denn hier in der engeren oder weiteren Umgebung noch Eßbares aufzutreiben? Nicht einmal die Ratten waren geblieben.
    Und dann geschah das zweite Bärenwunder!
    Rockwell und Webbs waren mit Powells Erlaubnis noch einmal aufgebrochen, nach rechts, woher der Bär schließlich einmal gekommen war. Wenn jemand sie gefragt hätte, warum sie sich auf so ein Himmelfahrtskommando begaben, nur, um eventuell einen gefräßigen Bären wieder einzufangen, so hätten sie keine Antwort gewußt. In William jedoch saß fest und riesengroß die Vorstellung, die schon fast eine Gewißheit war: Mit dem Bären hing sein persönliches Glück zusammen. Und Webbs? Nun, ihm tat William leid. Und er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er dauernd etwas von ›Zoo‹ gefaselt hatte. Und: Der Bär fehlte auch ihm einfach. Ja, so simpel war das.
    Sie robbten über den staubtrockenen Boden. Die Sonne schien und wärmte bereits. Der Himmel war blau gewesen, als sie aufbrachen. Nun preßten sie sich an die faulige Erde, und für einige Zeit gab es keinen Himmel mehr für sie.
    Der Bär war zögernd aufgebrochen. Er war nun frei, doch war er ja in Gefangenschaft geboren und an menschliche Gesellschaft gewöhnt. Langsam lief er durch die Nacht, ein dunkler Schatten, getarnt durch sein braunes Fell, auf gedämpftem Sohlenpolster. Er war verstört und unsicher, aber allmählich brachte dieses leichte Traben ein nur oberflächlich vergessenes Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit in ihm nach oben.
    Instinktiv mied er freie Strecken. Er hielt sich an Senken und Erdwälle. Dann knallte es plötzlich, etwas zerbarst, und er rannte in Panik weiter. Es hatte ihn angetippt! Nicht weh getan, aber angetippt! Erde war hochgespritzt. Seine Augen brannten.
    Dann erblickte er etwas, das ihm vertraut erschien. Sofort steuerte er entschlossen darauf zu. In seinen Eingeweiden wühlte der Hunger. Dies Etwas sah so aus wie andere Plätze, an denen er irgendwann, in seiner frühesten Kindheit, Nahrung gefunden hatte.
    Es war ein verlassener, zerstörter Bauernhof. Nur noch Mauerreste und verkohlte Balken waren übriggeblieben.
    Der Bär brummte dumpf und schnüffelte.
    Ja, da war eine vage Witterung. Etwas Verheißungsvolles. Er folgte seiner empfindlichen Nase. Hier war es! Ein Geruch, der einen Bären wahnsinnig machen konnte. Eine unwahrscheinliche Mixtur von appetitlichsten Wohlgerüchen.
    Doch vor seiner Schnauze, zwischen Mauern und Resten von Dielenbrettern, war weiter nichts als Sand und die Trümmer von Eichenmöbeln und ein paar Stoffetzen. Es war nicht ganz dunkel. Trotzdem gab es nichts zu sehen, das anzusehen sich gelohnt hätte. Dieser Duft jedoch … Dieser Duft!
    Irgend etwas rann ihm ins rechte Auge. Unwillig wischte er mit der Tatze darüber. Er brummte beunruhigt. Fast klang es wie ein Stöhnen. Diese klebrige Feuchtigkeit an seiner Tatze und dazu dieser Geruch lösten urplötzlich Wildheit in ihm aus.
    Wie wahnsinnig begann er zu buddeln und seine Schnauze in die Erde zu wühlen. Dann lag die Öffnung frei. Eine Treppe führte abwärts.
    Der Bär kauerte sich davor. Er zögerte lange. Er fürchtete sich. Sein Instinkt meldete: mögliche Falle!
    Doch was so unendlich hinreißend duftete, konnte eigentlich nichts Schlechtes sein. Nicht in der Weltanschauung eines Bären. So erhob er sich schließlich anmutig und glitt die Stufen hinunter. Direkt hinein ins Paradies.
    Da lagerte eine verwirrende Fülle von Sachen. Der Bär war auf ein von einer französischen Kompanie vor Jahren aufgegebenes Verpflegungslager gestoßen. Verlassen, vergessen, verschüttet. Das passierte oft im Krieg. Er war kein Planspiel mehr, mit Fähnchen auf der Karte und erstklassigen Verständigungsmöglichkeiten. In der Praxis bedeutete er auch Durchwursteln, Flucht und Rettung. Jeder war sich selbst der Nächste. Jede Truppe dachte erst einmal an ihr eigenes

Weitere Kostenlose Bücher