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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war gerührt. Er war auch entsetzt. Junge, knackige Gestalten waren in die Gräben gegangen. Alte, verbrauchte, ausgemergelte Männer spuckte der Krieg hier wieder aus. Und wie wenige! Wie viele waren gefallen oder schwer verwundet?
    Oberst Perkins legte grüßend die Hand an die Mütze und rief: »Guten Morgen, Männer!«
    »Guten Morgen, Herr Oberst!« antworteten sie wie ein Mann.
    Etwas isoliert hatten sich William Rockwell als offizieller Bärenführer und das Maskottchen des 159. Infanterieregiments aufgestellt. Das heißt, der Bär zerrte ziemlich unwillig an der Kette. Die neue Umgebung machte ihn nervös.
    Rockwell beobachtete ihn argwöhnisch: Sein Liebling würde sich doch hoffentlich gut benehmen? Noch kannte er seine eigene Kraft nicht, doch empfahl es sich schon tunlichst, eine dickere Jacke und lange Hosen zu tragen, wenn man sich dem Tier näherte. Es hatte Kraft. Und es war von Natur aus ruppig. Und ziemlich groß war der Bursche inzwischen geworden. William Rockwell war nicht mehr weit von der Erkenntnis entfernt, daß sein Kamerad Webbs recht gehabt hatte, als er sagte, daß man einen Bären nicht als niedliches Haus- und Fronttier halten konnte.
    Aber nun weckte das ganze Zeremoniell doch das Interesse des Bären. Er beruhigte sich, wiegte nur ab und zu den Kopf.
    Oberst Perkins sah feldherrnmäßig in die Runde und sagte: »Männer, heute vor zwei Jahren, am 5. Juni 1916, versank bei den Orkney-Inseln auf dem Schlachtkreuzer ›Hampshire‹ Lord Horatio Herbert Kitchener, Earl of Khartum, britischer Feldmarschall, auf seiner Fahrt nach Rußland. Im irischen Bally Longford wurde er 1850 geboren. Mit ihm ging einer unserer großen Engländer für sein Vaterland und die Sache der Gerechtigkeit ein in die Unsterblichkeit. Heute gedenkt mit uns die ganze britische Welt dieses Helden, der den Fanatismus der Madhisten in die Knie zwang und den Burenkrieg 1902 durch Weitsicht und Tapferkeit siegreich beenden konnte. Lord Kitchener, Reorganisator des britischen Heeres, ist uns allen ein leuchtendes Beispiel. Getreu der Tradition unseres Regiments gedenken wir an diesem Tag eines der Tapfersten des Empire, Lord Horatio Herbert Kitchener!«
    Langsam senkten sich die Degen der Offiziere. Die Kompanie stand präsentierend, wie aus Stein gehauen. Immer noch griffen und ergriffen die Riten des Soldatentums. Abgebrühte Kämpfer standen da mit feuchten Augen.
    Der Oberst fuhr fort: »Das Regiment ist – das darf ich jetzt bekennen – aus einer akuten Gefahr errettet worden. Die Straßen hinter uns sind ein Trümmerfeld. Nachschubkolonnen blieben stecken, wurden attackiert. Die Tanks, die den Feuergürtel durchbrechen konnten, reichten gerade hin, das Allernotwendigste sicherzustellen. Sie alle haben es am eigenen Leibe erfahren. Ein Bär rettete unser Regiment vor der furchtbaren Entscheidung: Zurück, um nicht zu verhungern, oder vorwärts in den ehrenvollen Tod. Jawohl, unser Maskottchen hat sich aufgemacht, ein Lebensmitteldepot zu entdecken!«
    William Rockwell verzog keine Miene. Sein Herz klopfte. Aber im innersten Herzen amüsierte er sich auch köstlich. Wahrscheinlich ging es Oberst Perkins genauso. Der hatte oft ein gewisses Funkeln im Blick, das auf angelsächsischen Humor schließen ließ. Von wegen ›aufgemacht, ein Depot zu entdecken‹, dachte William. Ausgerissen ist er. Dann hat ihn sein Instinkt geleitet, weil er Kohldampf hatte. Klar. Doch schließlich entscheidet im Leben stets das Ergebnis.
    Der Oberst blickte den Bären an. Offenbar überlegte er, ob er sich ihm weiter nähern sollte. Aber dann entschied er sich doch lieber dagegen. Er fuhr markig fort: »So sprechen wir dir, du treuer Kamerad in hundert Schlachten, unseren Dank aus und versprechen, immer nach Kräften für dich zu sorgen. Da du unser Regimentsmaskottchen bist und da wir uns heute am Kitchener-Tag versammelt haben, komme ich gern noch einer Pflicht nach, für deren Erledigung uns bisher die Muße fehlte. Im Jahre 1916 wurde bei uns zu Hause in Ontario der Ort ›Berlin‹ dem britischen Feldmarschall Kitchener zu Ehren und zum Gedächtnis in ›Kitchener‹ umbenannt. Was liegt näher, als daß wir unserem guten Kameraden nun auch mit Respekt und Dankbarkeit diesen ehrenvollen Namen verleihen. ›Bär von St. Jules‹, ich taufe dich auf den Namen ›Kitchener‹! Unser Bär Kitchener … ein dreifaches …«
    Die Männer standen stramm, riefen: »Hurra! Hurra! Hurra!« und warfen ihre Tellermützen in die Luft.
    William

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