Im Zeichen des Highlanders
erleuchteten, schenkten Kirstie ausreichend Schatten, in dem sie sich bewegen konnte. Sie war überrascht, wie mühelos es ihr gelungen war, in die königliche Burg zu schlüpfen. Bei all dem momentanen Durcheinander und Machtkampf hatte sie eine stärkere, aufmerksamere Bewachung erwartet. Selbst wenn sie kein Versteck gefunden hatte und gezwungen war, sich im offenen Raum zu bewegen, hatte ihr niemand Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Junge war von keinerlei Interesse, besaß keinerlei Bedeutung.
Während sie die tändelnden und schwatzenden Menschen um sie herum beobachtete, die ihre Spiele um Verführung und Macht spielten, fielen ihr die vielen Knaben und heranwachsenden Jungen auf, die Knappen und Pagen, die durch die Menge eilten oder auf einen Befehl warteten. Auch sie wurden größtenteils ignoriert. Es war traurig. Ein Kind war, besonders wenn es die ersten heimtückischen Jahre überlebt hatte, ein Geschenk Gottes.
Dennoch wurden die meisten dieser Jungen, trotz eines gelegentlichen Aufflackerns von Freundlichkeit, übergangen oder kaum besser als Sklaven behandelt. Es war nicht verwunderlich, dass sie zu harten Männern heranwuchsen, die begierig darauf waren, bei der kleinsten Provokation das Schwert zu erheben. Wo blieb der Schutz, die sanfte Führung? Es war erschreckend, wie wenige Menschen darauf zu achten schienen, wo die Jungen waren oder was sie taten. Kein Wunder, dass Roderick scheinbar straffrei vorgehen konnte. Kirstie überkam das schauerliche Gefühl, dass Roderick dies hier als weiteres Jagdrevier ansah und er den betreffenden Jungen nicht erst auf Thanescarr mitnehmen musste, um sein Verbrechen zu begehen.
Obwohl ihre Brüder nur aus Armut davor bewahrt geblieben waren, auswärts erzogen zu werden, war Kirstie nun über diesen Mangel froh. Sie waren groß, laut, die meiste Zeit über eine Plage und schnell in Rage zu versetzen, aber sie besaßen auch viele gute Eigenschaften. Sie kannte sie alle sehr gut, und sie kannten wiederum sie, denn sie waren bis zu ihrer Heirat nie voneinander getrennt worden. Kirstie musste sich fragen, wie viel von den Familienbanden übrig blieben, wenn ein Junge schon so früh weggeschickt wurde. Kirstie wusste, dass Jungen einer Ausbildung bedurften, lernen mussten, wie sie in einem Krieg überlebten und wie sie sich auf höfische Weise zu benehmen hatten, aber es musste doch einen anderen Weg dorthin geben. Ihre Brüder konnten gut kämpfen, und auch wenn ihre Manieren entsetzlich waren, hatte man ihnen höfisches Betragen beigebracht, ohne dass sie jemals ihr Zuhause verlassen hatten. Sollte sie jemals mit Kindern gesegnet sein, würde sie ihre Söhne nicht weggeben. Schon gar nicht mehr jetzt, wo sie wusste, dass Wüstlinge wie Roderick in Warteposition auf sie lauerten.
Dann sah sie ihn, und die Wut, die kurzzeitig abgeflaut war, kehrte mit solcher Macht und Schnelligkeit zurück, dass sie wie berauscht war. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und im Verborgenen zu bleiben, drückte sich Kirstie an die Wand und beobachtete ihren Ehemann. Er hatte einem Jungen seine Hand auf die Schulter gelegt, und sie erkannte den Ausdruck auf Rodericks kantigem Gesicht. Es war Hunger.
Bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte, hielt sie schon ihr Messer in der Hand. Das blindwütige Bedürfnis, das Kind zu schützen, lenkte ihre Bewegungen. Dann erschien plötzlich ein anderer Mann, und der Junge wurde weggeholt. Über Rodericks Gesicht huschte Wut, aber schnell kehrten die Züge eines ruhigen, gefälligen Höflings zurück. Kirstie sah sich um und stellte fest, dass sich keiner der Jungen in Rodericks Nähe befand. Sie sah, wie ein kleiner Edelknabe auf dem Weg von einem Ende der Halle zum anderen einen deutlichen Umweg um den Mann machte.
Paytons Worten wurde also Glauben geschenkt. Offensichtlich nicht genug, um Roderick als das widerliche Biest, das er war, hinauszuwerfen, aber genug, um ihn nicht in die Nähe der Jungen zu lassen. Was noch besser war: Die Jungen selbst hatten davon erfahren. Die, die keine fürsorglichen, wachsamen Beschützer ihr Eigen nannten, hatten nun die anderen Jungen. Hier würde es keine leichte Beute mehr für Roderick geben.
Was sollte sie also jetzt machen, fragte sie sich, während sie das Messer wegsteckte. Der Beweis, dass ihr Feldzug gegen Roderick Erfolg hatte, hatte die blinde Wut beschwichtigt. Nun begann sie die gefährlichen Fehler in ihrem Vorhaben zu sehen. Es waren zu viele Leute um sie herum. Ein Anschlag auf
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