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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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uns, an der schmälsten Stelle des Flusses, schaukelten unzählige Boote in dicht gedrängten Reihen. Tausende mussten es sein. Die Sonnenstrahlen, die die Luft mit ständig wachsendem Glanz erfüllten, spiegelten sich in unzähligen Speerspitzen, Messern, Schwertern und Streitäxten. Die seltsam geformten Kopfbedeckungen der Ainu, die bunten Muster und Stickereien ihrer Kleidung hoben sich vor dem blassblauen Himmel ab und boten ein Bild von überwältigender, bedrohender Schönheit. Iri schwieg; es war, als ob das Schweigen des Herrschers alle Geräusche an Bord verstummen ließ. Sein Gesicht war bleich geworden. Er umklammerte das Schwert, als wollte er es zu einem Teil seiner selbst machen. Doch seine Betroffenheit währte nur einige Atemzüge lang.
    Ungeduldig richtete er das Wort an Yi-Am. Der Oberbefehlshaber, dem ein Offizier die Pfeile aus der Rüstung gezogen hatte, verneigte sich.
    Â»Seid Ihr überzeugt, dass es unserer Streitmacht gelingen wird, sich da hindurchzukämpfen?«
    Yi-Am ließ seinen kühlen Blick über die Boote schweifen und sah dann zu den Galeeren, die die abgebrannten Wrackteile umsteuerten.
    Â»Verzeiht, Majestät, ich erachte es als ein Wagnis von größter Kühnheit.«
    Doch Iri hatte sich schon wieder ganz in der Gewalt und die Antwort entlockte ihm nur sein übliches Wolfsgrinsen. Er wandte sich an den Kapitän.
    Â»Bringt den ›Seefalken‹ auf Hörweite an die Boote heran!«
    Noburu verneigte sich und trat mit fahlem Gesicht zurück, um den Befehl auszuführen. Der Rhythmus der Trommel wurde langsamer und setzte dann plötzlich ganz aus. Das Kielwasser schäumte, während der »Seefalke« mit eingezogenen Rudern an den Kanus entlanglitt. Der Abstand verringerte sich zusehends. Als wir nur noch wenige Längen von der Bootsfront entfernt waren, legten unsere Bogenschützen ebenso wie die der Ainu ihre Pfeile an die Sehne. Ich spürte die heftigen Stöße meines Herzens und grub die Zähne in die Unterlippe.
    Plötzlich löste sich eines der Boote aus den dichten Reihen und kam uns mit schnellen Ruderschlägen entgegen. Ich sah Nagasume Tomi am Bug stehen. Er trug seine Rüstung und den Bronzehelm. Außer mit den beiden Schwertern, die in seiner Schärpe steckten, dem Köcher und dem Bogen über seiner Schulter, war er mit einem langen Wurfspieß bewaffnet. Attero, der hinter ihm stand, war ebenfalls mit Pfeil und Bogen ausgerüstet. Ein ledernes Stirnband hielt sein dichtes, lockiges Haar zusammen.
    Iri trat dicht an das Schanzkleid heran. Sein hochmütiges Profil leuchtete wie aus Kupfer gestochen. Die Leibwache stand rechts und links, Schild an Schild, an seiner Seite.
    Â»Nagasume Tomi«, rief er, »gebt Euren Leuten den Befehl, den Weg freizumachen, sonst sehen wir uns gezwungen, Eure Boote zu rammen.«
    Â»Verzeiht, Majestät, ein weiteres Vordringen ist Euch nicht gestattet.« Nagasume Tomis gedämpfte und doch klare Stimme klang deutlich zu uns herüber.
    Iri entblößte seine Zähne. »Ich bedaure, aber mein Geschwader wird seinen Kurs beibehalten.«
    Â»Verzeiht, Majestät, die Entscheidung, die Ihr zu treffen gedenkt, bleibt Eurem Ermessen überlassen. Meine Krieger haben den Befehl, Eure Schiffe aufzuhalten.«
    Â»Dann sind sie dem Tod geweiht, denn wir besitzen das Sternenschwert.«
    Er hob den Arm. Das Schwert mit den sieben Klingen funkelte in seiner Hand. Ein furchtsames Raunen ging durch die Scharen der Ainu. Einige wandten das Gesicht ab und bedeckten die Augen mit den Händen.
    Der Wind trug Nagasume Tomis gelassene Antwort herüber. »Die Waffe wird Euch kein Glück bringen, Majestät. Euch stand das Recht nicht zu, sich ihrer zu bemächtigen.«
    Iris Halsmuskeln schwollen an. Seine Augen funkelten gefährlich. Ich sah, wie seine Hand sich so fest um den Schwertgriff schloss, dass der Schaft sich beschlug.
    Â»Aus dem Weg mit ihnen!«, schrie er.
    Noburus Befehl schallte über das Deck. »Vorwärts! Mit voller Geschwindigkeit!«
    Die Trommel setzte ein. Das dumpfe, machtvolle Vibrieren schien in meinem Herzen widerzuhallen. Die Ruder senkten sich und ließen das Wasser aufsprühen. Die Galeere schoss vorwärts. Das Licht begann, vor meinen Augen zu flackern. Wie durch schimmernden Nebel sah ich das Gewirr der Boote auf uns zukommen - nein, wir waren es, die sich ihnen näherten!

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