Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
sich um ein grobes Dienstvergehen.«
Sie lächelte und fügte hinzu:
»Denn er muß der letzte gewesen sein, der Birgitte Volter lebend gesehen hat. Er war am späten Nachmittag in ihrem Büro. Natürlich müßt ihr mit dem Mann sprechen. Kannst du nicht einfach ja oder nein sagen, Konrad, dann kannst du dich wieder an deine wichtige Arbeit machen.«
Wieder wurde es ganz still.
»Dieses Gespräch hat niemals stattgefunden«, sagte er dann hart und entschieden.
Und legte auf.
Liten Lettvik hatte die Bestätigung, die sie gebraucht hatte.
»Something in the way he moves«, summte sie zufrieden, als sie zum Frognervei ging, um dort ein Taxi anzuhalten.
Denn jetzt eilte die Sache.
0.57, Hauptwache Oslo
Selbst Billy T., der dafür eigentlich kein Auge hatte, mußte zugeben, daß Benjamin Grinde ein ungewöhnlich gutaussehender Mann war. Er war athletisch gebaut, nicht besonders groß, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Seine Kleidung war ausgesprochen geschmackvoll, sogar die Socken, die zu sehen waren, wenn er die Beine übereinanderschlug, paßten zu seinem Schlips, den er nur ganz wenig gelockert hatte. Den dunklen Haarkranz um seinen Kopf hatte er kurzgeschoren, was seine fast kahle Schädelspitze beinahe erwünscht erscheinen ließ; sie zeugte von Potenz und großen Mengen Testosteron. Seine Augen waren dunkelbraun, der Mund wohlgeformt. Die Zähne waren überraschend weiß, immerhin war der Mann schon fünfzig.
»Sie haben morgen Geburtstag«, sagte Billy T., der in den Unterlagen blätterte.
Ein junger Polizeianwärter hatte Grindes Personalien aufgenommen, während Billy T. etwas Privates erledigen mußte. Etwas sehr Privates. Er hatte Hanne Wilhelmsen ein zweiseitiges handgeschriebenes Fax geschickt. Danach hatte er geduscht. Beides hatte geholfen.
»Ja«, sagte Benjamin Grinde und schaute auf seine Armbanduhr. »Oder eigentlich heute. Genaugenommen.«
Er lächelte müde.
»Fünfzig Jahre oder nicht«, sagte Billy T. »Lassen Sie uns das hier so schnell wie möglich über die Bühne bringen, damit Ihr Fest nicht ruiniert wird.«
Benjamin Grinde machte zum ersten Mal ein erstauntes Gesicht, bisher hatte sein Gesicht fast leer gewirkt, müde und nahezu apathisch.
»Über die Bühne bringen? Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß mir vor wenigen Stunden ein Haftbefehl vorgelegt worden ist. Und jetzt wollen Sie die Sache schnell erledigen?«
Billy T. wandte sich von der Schreibmaschine ab und musterte den Richter. Er preßte die Handflächen auf den Tisch und legte den Kopf schräg.
»Hören Sie«, seufzte er, »ich bin nicht blöd. Und auch Sie sind definitiv nicht blöd. Sie und ich wissen beide, daß Birgitte Volters Mörder nicht deren Sekretärin freundlich anlächeln und brav in seine Küche nach Hause gehen würde, um dort …«
Er blätterte in den Unterlagen.
»… Pastete herzustellen. Waren Sie nicht gerade damit beschäftigt?«
»Doch.«
Jetzt sah der Mann ehrlich überrascht aus. Die Polizei war doch gar nicht in der Küche gewesen?
»Sie wären ein so perfekter und leicht zu überführender Mörder, daß Sie es unmöglich gewesen sein können.«
Billy T. lachte kurz auf und rieb sich so heftig das Ohrläppchen, daß das Petruskreuz tanzte.
»Ich lese Kriminalromane, müssen Sie wissen. Und der Mörder ist nie derjenige, der auf den ersten Blick so wirkt. Und Mörder gehen danach nicht nach Hause. Um ganz ehrlich zu sein, Grinde: Dieser Haftbefehl war ein verdammter Blödsinn. Es war nur richtig, daß Sie den an sich genommen haben. Werfen Sie ihn weg. Verbrennen Sie ihn. Typische Panikhandlung unserer verdammten Juristen …«
Er wandte sich wieder seiner Schreibmaschine zu und ließ die Finger vier Sätze hämmern, dann legte er ein neues Blatt ein. Wieder wandte er sich Benjamin Grinde zu und schien zu zögern, ehe er seine sehr langen Beine mit Stiefeln in Größe 47 auf die Tischkante legte.
»Warum waren Sie dort?«
»Im Büro? Bei Birgitte?«
»Birgitte? Haben Sie sie gekannt? Persönlich, meine ich?«
Die Füße knallten auf den Boden, und Billy T. beugte sich über den Schreibtisch.
»Birgitte Volter und ich kennen uns schon seit unserer Kindheit«, erwiderte Benjamin Grinde und starrte den Polizisten an. »Sie ist ein Jahr älter als ich, und das bedeutet ja viel, wenn man noch jung ist. Aber in Nesodden lief man sich eben dauernd über den Weg. Damals waren wir befreundet.«
»Damals. Und heute, sind Sie noch immer
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