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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Millionenhöhe.«
    Liten Lettvik fiel es nicht weiter schwer, totale Verzweiflung zu zeigen. Sie stand breitbeinig da, fuchtelte mit den Armen, schüttelte den Kopf und verdrehte wild die Augen.
    »Also wirklich!!!«
    Sie brüllte dermaßen, daß für einen kurzen Moment in der ganzen Redaktion das Stimmengewirr verstummte. Als die anderen feststellten, wer so gebrüllt hatte, machten sie sich wieder an ihre Arbeit. Liten Lettvik neigte zu dramatischen Szenen, auch dann, wenn sie eigentlich unangebracht waren.
    »Ich habe zwei Quellen«, fauchte sie durch zusammengebissene Zähne. »Zwei Quellen!«
    »Beruhige dich«, sagte der Redakteur und hob und senkte die Hände in einer Bewegung, die vermutlich beschwichtigend wirken sollte, die Liten Lettvik aber reichlich herablassend fand. In seinem Büro ließen sie sich in die Sessel fallen.
    »Welche Quellen sind das?« fragte er und sah sie an.
    »Sag ich nicht.«
    »Gut. Dann gibt’s auch keinen Artikel.«
    Er griff zum Telefon und schaute zur Tür hinüber, um ihr zu bedeuten, daß sie gehen sollte. Liten Lettvik schien kurz zu zögern, doch dann verließ sie den Raum und verzog sich in ihre Höhle. Ihr Arbeitszimmer war ein grandioses Chaos, überall lagen Bücher, Zeitungen, amtliche Dokumente, Butterbrotpapier und alte Apfelbutzen herum. Sie wühlte auf ihrem überfüllten Schreibtisch und fand mit bewundernswerter Sicherheit zwischen einem Pizzakarton mit zwei schlappen Pepperonistücken und einer alten Zeitung den Ordner, den sie gesucht hatte.
    Sie fischte ein Zigarillo aus der Schachtel. Ihre Mappe über Benjamin Grinde war ziemlich umfangreich. Sie hatte wochenlang daran gearbeitet. Sie enthielt alles, was über seine Kommission in der Presse gestanden hatte, angefangen mit dem allerersten Interview mit Frode Fredriksen, dem Anwalt, der den Anstoß zur Einrichtung der Kommission gegeben hatte, die die merkwürdige Häufung von Todesfällen bei Babys im Jahre 1965 untersuchen sollte.
    Das Interview hatte ihm eine Menge Aufträge eingebracht. Erstaunlich kurze Zeit nach dem Interview hatte er im Namen von hundertneunzehn Elternpaaren beim Parlament einen Antrag auf Schmerzensgeld eingereicht. Alle waren davon überzeugt, daß sich der Tod gerade ihres kleinen Lieblings hätte vermeiden lassen. Allen Fällen war gemeinsam, daß nichts auf einen ärztlichen Kunstfehler hindeutete. Auf den meisten Totenscheinen stand »plötzlicher Kindstod«. Die Aufregung wollte kein Ende nehmen. Die parlamentarische Opposition hatte am zehnten November 1996 die Regierung zur Einrichtung einer Untersuchungskommission gezwungen. Es hatte sich nicht umgehen lassen, denn auf Knopfdruck hatte das Statistische Zentralbüro bestätigen können, daß im Jahr 1965 weitaus mehr Kinder gestorben waren als vorher oder nachher. Benjamin Grinde war der perfekte Kommissionsleiter, er galt als Spitzenjurist und konnte neben seinen anderen beträchtlichen Meriten auch noch ein medizinisches Staatsexamen in die Waagschale werfen.
    Liten Lettvik war müde.
    Genaugenommen wußte sie wirklich nicht, warum sie wenige Stunden nach dem Mord an der Ministerpräsidentin alte Zeitungsausschnitte über eine Untersuchung las, von der niemand mehr sprach und deren Ergebnis niemand vorhersagen konnte. Vielleicht lag es daran, daß sie sich zu sehr damit beschäftigt hatte. Während der letzten Wochen hatte sie keinen einzigen Artikel geschrieben, und nur ihrer Position als unangefochtene Doyenne der Redaktion war zu verdanken, daß das keine negativen Folgen für sie hatte. Die Sache mit den toten Kindern interessierte sie. Vielleicht machte dieses Interesse sie blind. Dafür war jetzt keine Zeit. Sie mußte sich auf den Mord konzentrieren.
    Jetzt interessierte sie sich für Benjamin Grinde. Seit Wochen hatte sie versucht, herauszufinden, was die Grinde-Kommission eigentlich trieb, aber sie war immer nur mit allgemeinen Informationen abgespeist worden. Und da war ausgerechnet der Kommissionsleiter vermutlich der letzte, der die Ministerpräsidentin lebend gesehen hatte.
    »Jetzt mach dich verdammt noch mal an die Arbeit, Liten.«
    Das war der Redakteur. Wie immer ließ er einen angeekelten Blick durch das Büro wandern, dann wandte er sich ab und sagte:
    »Jetzt leg gefälligst los. Du hast ja wohl schon mehr als genug zusammen.
    7.00, Konferenzsaal im Regierungshochhaus
    Alle empfanden dasselbe starke Unbehagen, als sie durch den Eingangsbereich zum Büro der Ministerpräsidentin gingen. Zwar war keine

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