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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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natürlich ein Komplott nicht ausschließt«, sagte Hanne nachdenklich.
    »Genau. Und was Severin offiziell nicht wissen darf, ist, daß dieser Brage Håkonsen Verbindungen zum Wächter hatte.«
    »Was?«
    »Frag mich nicht, wieso. Ich nehme an, daß im obersten Stock noch immer allerlei illegale Akten liegen. Jedenfalls habe ich ja die ganze Zeit gesagt, daß mit dem Wächter etwas nicht stimmt. Die ganze Zeit!«
    Plötzlich kam ein Mädchen durch den Torweg. Es war dünn und schlaksig und schaute die beiden mit kaum verhohlener Neugier an. Im Vorübergehen machte es eine riesige rosa Kaugummiblase, die jedoch platzte und sich wie ein feuchtes, zerrissenes Handtuch über das Gesicht legte.
    »Hallo«, sagte Hanne und lächelte.
    »Hallo«, murmelte das Mädchen und pflückte sich die Kaugummireste vom Gesicht.
    »Moment mal«, sagte Billy T., so freundlich er konnte, aber das half nichts, das Mädchen sah ihn erschrocken an und lief auf die Straße zu.
    »Warte mal«, sagte Hanne, ging hinterher und faßte es am Arm. »Wir würden dich gern etwas fragen. Wohnst du hier?«
    »Wer zum Henker seid ihr?« fragte das Mädchen wütend. »Laßt mich los!«
    Hanne ließ sofort los, sie sah noch immer den kleinen Funken von Neugier in den Augen des Mädchens und wußte, daß keine Fluchtgefahr bestand.
    »Hast du den Mann aus dem ersten Stock gekannt? Den dünnen mit den braunen Haaren?«
    Das Mädchen starrte sie an, und weder Hanne noch Billy T. hatten jemals einen so raschen Wechsel der Gesichtsfarbe gesehen.
    »Nein«, sagte das Mädchen mürrisch und wollte gehen.
    Billy T. war an ihr vorbeigegangen und versperrte ihr jetzt den Weg. »Hatte er oft Besuch?« fragte er.
    »Keine Ahnung.«
    Sie war eine seltsame Mischung aus Kind und Frau. Ihr Körper war mager, doch die Brüste rundeten sich bereits. Ihre Hüften waren jungenhaft schmal, aber sie hatte schon gelernt, sich auf eine herausfordernde Weise zu bewegen. Ihre Haare waren unregelmäßig in Farbtönen zwischen Schmutzigrot und Mokka gesträhnt, im linken Nasenflügel saß ein Silberkügelchen. Die Augen unter den gefärbten Augenbrauen waren trotzdem die eines Kindes, groß und blau und ziemlich verängstigt.
    »Wie alt bist du?« fragte Hanne und versuchte freundlich zu wirken.
    »Fünfzehn«, flüsterte das Mädchen.
    »Wie heißt du?«
    Plötzlich war die Kleine wieder erwachsen.
    »Wer zum Teufel seid ihr?« fragte sie und versuchte noch einmal, sich an Billy T. vorbeizuquetschen.
    »Wir sind von der Polizei«, sagte er und blieb stehen.
    Plötzlich fing die Unterlippe des Mädchens an zu zittern. Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    »Laßt mich vorbei«, schluchzte sie. »Laßt mich raus hier!«
    Hanne legte ihr den Arm um die Schultern und versuchte, ihr die Hände vom Gesicht zu ziehen. Ihre Nägel, die unter dem Haaransatz auf ihrer Stirn zu sehen waren, waren fast ganz abgeknabbert.
    »Er hatte nichts verbrochen«, flüsterte das Mädchen. »Das stimmt alles nicht.«
    11.00, Hauptwache Oslo
    Billy T. hatte bald erkannt, daß er der Wahrheit nicht näher kommen würde. Jedenfalls nicht, solange Kajas Vater im Zimmer saß. Der Mann mußte um die fünfzig sein, aber Alkohol, Tabak und eine ungesunde Ernährung hatten seine Haut grobporig und schlaff werden lassen, er hätte auch weit über sechzig sein können. Wenn er hustete, schien er mit einem Fuß in einem offenen Grab zu stehen, und Billy T. ertappte sich dabei, wie er sich eine Hand vor den Mund hielt, in einem vergeblichen Versuch, sich vor anscheinend lebensgefährlichen Bakterien zu schützen.
    »Verdammt«, keuchte der Hausmeister. »Ich hab Anspruch auf einen Anwalt, nur damit Sie das wissen.«
    »Hören Sie zu« sagte Billy T. und starrte Kaja an, die wie eine zu früh verwelkte Blume aussah und offenbar nicht wußte, vor welchem der beiden Männer im Zimmer sie sich mehr fürchtete. »Entweder bleiben Sie hier sitzen, während ich mich ein wenig mit Kaja unterhalte, oder ich verständige das Jugendamt, und dann besorgen die vorübergehend einen Vormund. Sie haben die Wahl.«
    »Das Jugendamt? Das Jugendamt soll uns in Ruhe lassen. Ich bleibe hier.«
    Der Mann faltete die Hände über dem Bauch. Er räusperte sich energisch, und für einen Moment glaubte Billy T., er werde gleich auf den Boden spucken. Aber er schluckte nur schwer.
    »Aber ich hab Anspruch auf einen Anwalt.«
    »Nein. Haben Sie nicht. Ich will nur mit Kaja sprechen, ich will sie nicht unter Anklage stellen.«
    »Nein,

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