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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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gewesen. Doch als er dann endlich gekommen war, da war Pers Gesicht hart und verschlossen gewesen.
    »Gute Nacht. Ich wollte nur warten, bis Oma einschläft. Ich gehe jetzt schlafen.«
    Roy Hansen hatte nicht einmal den Wagen kommen hören. Er starrte die Umrisse seines Sohnes in der Türöffnung an; im Kerzenlicht war der junge Mann nur undeutlich zu erkennen.
    »Aber Per«, flüsterte Roy. »Kannst du dich nicht ein bißchen zu mir setzen? Nur ein paar Minuten?«
    Der junge Mann in der Tür rührte sich nicht. Sein Gesicht war nicht zu sehen. »Setz dich doch. Nur ein paar Minuten.«
    Plötzlich strömte Licht von der Decke. Per hatte zum Lichtschalter gegriffen, und als Roy wieder klar sehen konnte, erlitt er einen Schock.
    Per, der liebe, wohlerzogene Junge, der nicht einmal als Teenager seinen Eltern irgendeneinen Kummer gemacht hatte. Per, der sein Junge, sein Trost und eigentlich auch seine Verantwortung gewesen war; Birgittes lange Abwesenheit hatte kurz nach Pers zehntem Geburtstag begonnen. Dieser Junge war nicht wiederzuerkennen.
    »Wenn du wirklich ums Verrecken mit mir reden willst, dann von mir aus.«
    Sein Gesicht war verzerrt, seine Augen quollen hervor wie bei einem toten Kabeljau, und beim Reden spritzte Speichel aus seinem Mund.
    »Eigentlich wollte ich nichts sagen. Aber glaubst du denn im Ernst, ich wüßte es nicht?«
    Drohend stand er vor seinem Vater, mit geballten Fäusten.
    »Du bist ein … du bist ein verdammter Heuchler! Weißt du, Papa, du bist ein … ein …«
    Jetzt weinte der Junge. Während der Beisetzung hatte er nicht eine einzige Träne vergossen. Aber jetzt liefen ihm die Augen förmlich über, und sein Gesicht war fleckig, als habe ihn eine unbekannte Seuche entstellt.
    »Glaubst du, ich wüßte nicht, warum Mama nie hier war? Warum sie es hier im Haus einfach nicht aushalten konnte?«
    Roy Hansen versuchte, seinem Sohn auszuweichen, aber Pers heftige Faustbewegungen machten ihm angst, er erstarrte.
    »Ausgerechnet Ruth-Dorthe Nordgarden! Mit ihrer Dolly-Parton-Visage! Was glaubst du eigentlich, was das für ein Gefühl für Mama war, den Ohrring im Bett zu finden?«
    »Aber …«
    Roy versuchte, sich aufzurichten. Wieder hob Per die Hände zum Schlag, die Fäuste hingen nur einen halben Meter über Roy in der Luft und nagelten ihn fest.
    »Und ich habe euch gehört. Du hast an dem Abend gedacht, ich wäre nicht zu Hause, aber das war ich.«
    »Per …«
    »Komm mir nicht so! Ich hab euch gehört!«
    Der junge Mann weinte noch immer. Er hustete und schniefte, und was er sagte, war kaum noch zu verstehen.
    »Beruhige dich doch, Per. Schrei nicht so!«
    »Nicht so schreien? Und beruhigen soll ich mich? Du, Papa, du hättest an dem Abend im letzten Herbst die Ruhe bewahren sollen. Du und diese miese Hure!«
    Plötzlich war es vorbei. Per Volter ließ langsam die Fäuste sinken, er stand in einer Art militärischer Ruhehaltung da und rang nach Atem.
    »Ich will nie mehr mit dir reden.«
    Per ging zur Tür.
    Roy Hansen erhob sich langsam. Er hatte keine Stimme mehr.
    »Aber Per«, flüsterte er. »Es gibt so viel, was du nicht weißt. So unendlich viel, was du nicht weißt.«
    Er bekam keine Antwort, und gleich darauf hörte er den Wagen über die Einfahrt jagen. Die Kerze war erloschen, und das Zimmer war in ein erbarmungsloses, kreideweißes Licht getaucht.

Samstag, 12. April 1997
    10.15, Odins gate 3
    Er konnte einfach nicht aufstehen. Er hatte ein doppeltes Kissen unter dem Kopf, und das Atmen fiel ihm schwer. Er starrte seine nackten Füße an und suchte das Loch, aus dem seine Kräfte entwichen waren. Er fühlte sich wie tot. Er verspürte eine Trauer, wie er sie noch nie empfunden hatte.
    Es gab keine Rettung. Benjamin Grindes Welt war in Auflösung begriffen. Die vergangene Woche war ein einziger langer Leidensweg ins Nichts gewesen. Es war so, als hätte ihn etwas Unbewegliches wie eine Haut umschlossen: Die Kollegen sprachen nicht mit ihm, ließen nur die notwendigsten Bemerkungen fallen. Der Zeitungsartikel hatte alles ruiniert. Obwohl der Haftbefehl nicht gerechtfertigt gewesen war. Obwohl die Polizei beteuerte, daß kein Verdacht gegen ihn bestehe. Doch das andere war weitaus schlimmer.
    Würde er denn niemals aus dieser Schicksalsgemeinschaft mit Birgitte befreit werden? Sollte es niemals ein Ende nehmen? Sie hatten beide versucht, sich zu retten, sie waren in verschiedene Richtungen geflohen und hatten es jeder auf seine Weise sehr weit gebracht.
    Krampfhaft

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