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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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setzte sich auf den Boden, um besser sehen zu können. Plötzlich brüllte er vor Lachen.
    »Sieh dir das an!«
    Ein unruhiges Bild fing die wütenden Demonstranten ein, und eine Stimme berichtete, daß nach der Demonstration vor dem Osloer Dom ein Norweger, drei Niederländer, zwei Franzosen und sechs US-Bürger festgenommen worden seien.
    »Amis, die gegen den Walfang demonstrieren! Wo bei denen Menschen gegrillt, vergast und vergiftet werden! Und wo Millionen von Einwohnern hungern!«
    Der Nachrichtensprecher teilte mit, der Norweger sei auf freien Fuß gesetzt worden, da er nichts mit der Aktion zu tun gehabt habe, die anderen jedoch würden noch festgehalten.
    »Was suchst du da eigentlich?« fragte Billy T. und zeigte zum ersten Mal mehr als nur höfliches Interesse für Hannes Beschäftigung.
    »Nichts«, seufzte Hanne und faltete die Unterlagen zusammen, um sie dann in eine Plastikhülle zu schieben. »Ich dachte, ich hätte eine geniale Idee, die alle unsere Fragen beantworten würde. Aber wie üblich war sie nicht besonders genial. Der Obduktionsbericht spricht dagegen. Immerhin war es richtig, das zu überprüfen. Danke, daß du mir den Bericht besorgt hast. Spielen wir eine Runde?«
    »Yes!«
    Billy T. sprang auf und holte das riesige, altmodische Tischfußballspiel aus dem Schlafzimmer.
    »Ich bin England«, rief er, während er den Tisch mit den auf Stahlstangen aufgespießten Gummifiguren ins Wohnzimmer schleppte.
    »Von mir aus. Und ich die Niederlande.«
    21.30, Ole Brumms vei 212
    Roy Hansen starrte das Bild von Birgitte an, das auf dem Büfett stand. Die Kerze daneben war die einzige Lichtquelle im Raum und übte auf ihn eine beinahe hypnotische Wirkung aus.
    Die letzte Woche war unwirklich gewesen. Er hatte sich nie für New Age oder übersinnliche Phänomene interessiert, und religiös war er auch nicht. Aber während der letzten Tage war er dem Erlebnis, seinen eigenen Körper zu verlassen, so nahe gekommen, wie er es überhaupt nur für möglich hielt. Tryggve Storstein war zu Besuch gekommen, verlegen und erschöpft, aber doch mit einer aufrichtigen Trauer, die Roy Hansen auf seltsame Weise gefreut hatte. Tryggve hatte ihn gerührt. Sie hatten lange miteinander gesprochen und noch länger miteinander geschwiegen. Die beiden Vertreter der Protokollabteilung des Außenministeriums waren weniger willkommen gewesen. Aber immerhin hatten sie ein Reinigungsunternehmen verständigt, und das Haus war inzwischen wenigstens aufgeräumt und sauber.
    Alle hatten an diesem Nachmittag versucht, sich ihm aufzudrängen. Sie wollten ihm helfen, das wußte er. Aber er wollte niemanden sehen. Nur Per. Der jedoch weigerte sich, mit ihm zu sprechen. Entweder lief er seine endlos langen Touren, oder er saß allein in seinem Zimmer, ohne irgend etwas zu tun, oder führte ausgiebige Telefongespräche, von denen Roy nicht wußte, mit wem.
    Er hatte den Empfang im Rathaus verlassen, sobald die Protokollabteilung es erlaubt hatte. Die Parteisekretärin und drei andere aus der Parteizentrale waren zusammen mit ihm aufgebrochen. Danach hatten sich noch andere Gäste eingestellt, die aber zum Glück begriffen hatten, daß er allein sein wollte. Und sie hatten alles ordentlich hinterlassen.
    Roy Hansen hatte den Fernseher eingeschaltet. Dort aber gab es nur endlose Berichte über die Beisetzung. Und das hatte ihn an seine letzte, brennende Niederlage erinnert: Nicht einmal als sie dort gelegen hatte, unter einem weißen Holzdeckel in einem schweren Sarg, hatte sie ihm gehört, sondern dem Staat, der Öffentlichkeit, der Partei. Statt einer ruhigen, stillen Zusammenkunft im engsten Kreis mit den Menschen, die die Frau, mit der er sein Leben geteilt hatte, geliebt hatten, war aus Birgittes Beerdigung ein politisches Gipfeltreffen geworden.
    Plötzlich ging ihm auf, daß er Birgittes Eltern vermißte. Sie waren beide Ende der achtziger Jahre gestor-ben, und das war vermutlich besser so. So hatten sie den Mord an ihrer Tochter nicht miterleben müssen. Auch von Birgittes immer stärkerer Distanz zu allen in ihrer Umgebung, von ihrer wachsenden Entfernung von allen, die sie liebten, hatten sie nichts mehr erfahren. Jetzt jedoch wäre es schön gewesen, sie bei sich zu wissen. Vielleicht hätten sie seine Trauer mit ihm teilen können. Per war dazu offenbar nicht in der Lage.
    Die Stunden bis zum vergangenen Samstagvormittag, als Per endlich vor ihm stand, in Uniform und mit vollgestopftem Tornister, waren unerträglich

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