Im Zeichen des Schicksals
Bis gleich!«
»Alles klar.«
»Ach, und – Celine?« Josh musterte mich von Kopf bis Fuß. »Wieso trägst du dieses Kleid?«
Ich schaute auf das bernsteinfarbene Kleid herab, das ich am vergangenen Abend angezogen hatte. Er war bei unserer Begegnung in der Küche wütend auf mich gewesen, weil ich dieses Kleid anhatte … Hatte er auch das vergessen? Dann erinnerte er sich wahrscheinlich auch nicht an den Kuss …
»Ich habe es nur so mal anprobiert«, antwortete ich und versteckte meine Überraschung hinter einem breiten Lächeln. »Du bist also nach dem Fest einfach eingeschlafen?«
»Ja, komisch, nicht wahr? Und was hast du gemacht?«
»Ach, nichts. Nur ein bisschen gelesen«, log ich.
Josh nickte, dann warf er einen Blick in Richtung Bett, und ich konnte sehen, dass er sich fragte, warum ich mit dem Kleid in meinem Bett gelegen hatte. Aber schon im nächsten Moment zuckte er die Achseln. »Bin duschen.«
Sobald ich hörte, wie sich Joshs Tür hinter ihm schloss, rannte ich die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer.
Die Sonne fiel durch die großen Fenster und tauchte den säuberlich aufgeräumten Raum in weißes Licht. Das Sofa, auf dem Josh und Sandra gelegen hatten, der Tisch, den ich umgeworfen hatte, der Teppich, auf den Samuels lebloser Körper gefallen war … Keine Spur mehr von alledem, was passiert war. Es war, als sei das alles nie geschehen.
Ich legte mir die Hand an den Kopf und begann mich zu sorgen, dass ich mir das alles nur eingebildet hatte. Und da spürte ich sie. Winzig kleine Stiche hoch oben über meinem rechten Ohr.
Ian.
Er musste hinter alledem stecken, aber wie hatte er das bloß hinbekommen? Benommen ging ich in die Küche.
»Bonjour, Mademoiselle Celine!« Marie drehte sich um, eine Tasse dampfenden Tees in Händen. Der Tee. War er die Ursache, warum ich in Ians Wagen diese Vision gehabt hatte?
»Guten Morgen«, antwortete ich und versuchte zu lächeln. Marie wirkte heiter wie eh und je, ihre Wangen waren rosig vor guter Laune. Mir kam plötzlich der Gedanke, dass es das letzte Mal sein könnte, dass mich die Haushälterin aus Haiti begrüßte. Der Dschinn war tot. Meine Mission war erfüllt. »Haben Sie und Ihre Kinder sich gestern gut amüsiert?«
Marie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und wippte nachdrücklich mit dem Kopf. »Meine Kinder hatten wirklich den allergrößten Spaß auf dem Fest, Mademoiselle Celine, und wir waren ja alle so stolz auf Sie. Sie haben eine wunderschöne Ahornkönigin abgegeben.«
»Vielen Dank«, erwiderte ich, aber da waren so viele Fragen, die mich beschäftigten. Ich starrte aus dem Fenster der Hintertür. Es war nur ein paar Stunden her, und da hatte Sandra dort draußen gesessen, und Blut war auf ihr cremefarbenes Kleid getropft. »Ich geh nur mal eben auf ein paar Schritte nach draußen, Marie.«
»Natürlich.« Marie strahlte. »Und dann müssen Sie meine Pfannkuchen probieren! Ich habe mich nach dem Rezept gerichtet, das Sie mir gegeben haben, und ich glaube, sie könnten so comme ci, comme ça geworden sein. Nicht völlig missraten jedenfalls.«
»Bestimmt sind sie ganz wunderbar«, versicherte ich, dann tat ich so, als bemerke ich die zweite Teetasse auf der Küchentheke nicht, und ging zur Tür hinaus.
Draußen schien die Sonne hell auf die Bank hinab. Dort saß eine großgewachsene Gestalt. Es war fast, als hätte ich gewusst, dass er hier sein würde. Vielleicht hatte ich einfach gehofft, dass …
Als er das Knirschen der Kieselsteine unter meinen Füßen hörte, schaute Ian auf. Er trug dunkle Jeans und ein schwarzes T-Shirt und wirkte völlig entspannt. Als sei nichts geschehen. Als hätte er nicht jemanden getötet. Als sei er kein Dschinn.
»Du hast gar keine Angst.« Es lag ein wenig Überraschung in seiner Stimme, obwohl sein Gesichtsausdruck nicht verriet, was er dachte. Er war so gut darin – so gut darin, Dinge zu verbergen.
»Sollte ich denn welche haben?«, fragte ich und sah in seine Augen.
Er rutschte ein Stück und machte mir auf der Bank Platz. Ich setzte mich neben ihn, zog die Füße hoch und schlang die Arme um die Knie. »Josh und Sandra … Sie erinnern sich nicht. Das warst du, nicht?«
»Ja.«
»Und der Leichnam?«
»Niemand wird ihn je finden.«
»Verstehe.« Ich blickte über den gepflegten Rasen hinweg. Morgen, wenn Josh zur Schule gegangen war, würden die Gärtner kommen. Er würde sie nicht zu Gesicht bekommen, nur den Geruch würde er wahrnehmen. Diesen Geruch nach frisch gemähtem
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