Im Zeichen des Schicksals
sollte, aber ich habe auch nie nachgefragt. Randy konnte es nicht leiden, wenn man ihm Fragen stellte. Und so musste ich letztendlich alles von Hand waschen.
Während jener ersten Monate versicherte mir Janet, dass ich nur rechtzeitig das Frühstück machen, putzen und waschen müsse und dann dürfe ich auch in die Schule gehen. Aber wie früh ich auch immer anfing, ich wurde nur selten rechtzeitig fertig. Am Ende rief die Schule bei ihr an, weil man über mein häufiges Fehlen besorgt war. Janet erzählte ihnen, wir würden umziehen und ich würde dann die Schule wechseln. Sie war eine gute Lügnerin.
Ich konnte nie in die Schule gehen, aber ich konnte lesen, dank der Donnerstagstees.
Janet machte es sich zur Gewohnheit, donnerstags ihre Freundinnen vom Friseur mit nach Hause zu bringen. Sie entdeckte, dass ich ein Händchen fürs Backen hatte, daher ließ sie mich den Nachmittagstee für sie zubereiten. Ich kochte kannenweise Tee und deckte den Tisch wirklich hübsch, so wie es Mrs. Gotts im Waisenhaus bei besonderen Anlässen getan hatte. Die Billingtons hatten keine richtige Tischdecke, also fertigte ich aus einem ihrer alten Laken selbst eine an. Ich färbte sie in einem Eimer blau, dann nahm ich eine Tube mit glitzerndem Bastelkleber – eine Gratisprobe aus einem von Janets Modemagazinen –, um kleine Blumen auf die Ränder zu malen. Ich stellte Teller mit Kuchen und Gebäck auf meine Blumentischdecke. Janet gab mir den ganzen Donnerstagmorgen Zeit, um für ihre Gäste zu backen, daher versuchte ich mich an allem Möglichen, von kleinen Erdbeertörtchen bis hin zu Zitronen-Käsekuchen und dunklen Schokoladenbrownies.
Ich gab mir alle Mühe, um Janet und ihren Freundinnen zu Gefallen zu sein, denn wenn Janet mit mir zufrieden war, sagte sie: »Jetzt geh, mach, dass du von hier wegkommst, diese Party ist für Erwachsene.«
Ihre Worte waren wie eine wunderbare Erlösung; sie bedeuteten, dass ich mindestens zwei Stunden für mich hatte, bis Janets Freundinnen gingen und ich wieder zum Saubermachen bereitstehen musste.
An diesen Donnerstagnachmittagen bin ich dann immer zu dem Secondhand-Sozialladen gelaufen, der neun Häuserblocks von der Wohnung der Billingtons entfernt war.
Lee, die Studentin an der Kasse, erlaubte mir, ein paar Bücher aus dem Regal mit den Spenden zu nehmen. »Sieh nur zu, dass du sie wieder zurückbringst, Espressokopf«, sagte sie dann.
Ich verstand nicht, warum sie mich so nannte, aber Lee meinte, der Spitzname passe zu mir, weil mein Haar schwarz und ich immer in Eile sei.
Ich las jeden Abend, sobald die Billingtons vor dem Fernseher weggedöst waren. Ich las, was immer ich in die Finger bekam. Alles Mögliche verirrte sich in den Secondhandshop, angefangen von Kochbüchern bis hin zu Krimis und Lexika. Ich las die Briefe von Robert Louis Stevenson und Johanna Lindseys Liebesromane. Ich lernte Computerprogrammierung für Dumme und las ein Buch über die chinesische Küche. Ich prägte mir Karten aus Atlanten und aus Reiseführern vielerlei Fakten über andere Länder ein. Ich behielt alles, was ich gelesen hatte. Es war keine Schule, aber meine Secondhandladen-Ausbildung war … nun ja, vielfältig. Das Leben bei den Billingtons war erträglich, zumindest eine Zeit lang. Doch alles änderte sich nach meinem dreizehnten Geburtstag.
Es gibt nicht allzu viele Waisen, die ihren Geburtstag nicht kennen. Die meisten Kinder, die im Wohlfahrtssystem enden, verlieren zwar irgendwann nach ihrer Geburt ihre Eltern. Doch sie haben Namen, und es gibt Unterlagen, die über sie Auskunft geben. Im Waisenhaus waren fünfzig Kinder, und ich war die Einzige, über die überhaupt keine Unterlagen existierten. Die älteren Kinder nannten mich den Geist . Sie meinten es nicht böse. Die meisten von ihnen waren im Wohlfahrtssystem gelandet, weil sie in ihren Familien schlecht behandelt worden waren; und wenn sie nicht gerade von Adoption träumten, dachten sie sich für mich eine Vergangenheit mit netten, lächelnden Eltern aus, die nicht tranken.
Mr. Stevenson und die anderen Betreuer wählten einen Geburtstag für mich aus. Ich wünschte, ich wüsste, wie sie es gemacht haben. Bedeuteten Monat und Tag tatsächlich irgendetwas, oder war das Ganze genauso willkürlich wie der Name Sarah ? Wie auch immer, mein erfundener Geburtstag war der fünfzehnte August, und es war an ebendiesem Tag vor drei Jahren, dass die Karten in mein Leben traten. Ich hatte vier neue Bücher vom Stapel mit den Buchspenden
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