Im Zeichen des Schicksals
zum Lesen mitgenommen und hatte mich schon zum Gehen gewandt, als Lee sie mir in die Hand drückte.
»Alles Gute zum dreizehnten Geburtstag«, sagte sie.
Es war das erste Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Im Waisenhaus hatte Mrs. Gotts zur Feier unserer Geburtstage kleine Kuchen gebacken, aber es war kein Geld da, um Geschenke zu kaufen, und die Billingtons waren nicht gerade der Typ für Geschenke.
Ich ließ das kleine, in Geschenkpapier eingepackte, viereckige Päckchen mit der rosa Schleife neun Tage unter meinem Kopfkissen liegen. Am zehnten Abend gewann meine Neugier die Oberhand über die Freude, die mich jedes Mal erfüllte, wenn ich das verpackte Geschenk betrachtete. Unten brüllte Randy gerade den Fernseher an, als ich das Geschenkpapier aufriss. Der Anblick der Karten verwirrte mich zuerst. Tarotkarten. Ich hatte in einem Roman über sie gelesen, hatte im Nachmittagsfernsehen jemanden gesehen, wie er sie legte, aber wozu sie wirklich da waren, wusste ich nicht so recht. Ich las die beigelegte Anleitung. Dort hieß es, dass ich mich mit meinen Karten vertraut machen und mich auf sie einstimmen solle, damit sie mir die passenden Informationen geben konnten. Ich hatte keine Ahnung, was das alles bedeuten sollte, aber ich liebte die Karten. Sie gehörten mir, ich hatte sie als Geschenk bekommen, und mehr brauchte ich nicht.
Ich mischte meine Karten unaufhörlich, prägte mir jeden der leuchtend bunten Aufdrucke ein und trug jeden Tag eine andere Karte in der Tasche mit mir herum. In der Anleitung las ich, es sei schwierig, die vielfältigen Bedeutungen jeder Karte im Gedächtnis zu behalten, und dass es seine Zeit brauche, um mit ihnen richtig umgehen zu können. Aber mir fiel es nie schwer, mir alle Details zu merken.
Die Karten wurden zu meinen Freunden. Ich sprach zu ihnen, während ich mit der Wäsche zugange war, legte sie um mich herum aus, wenn ich das Essen zubereitete, und schlief mit ihnen unter meinem Kissen. Es dauerte nicht lange, bis Janet die Karten entdeckte. Ich dachte, sie würde wütend werden, und sie war es zuerst auch, weil sie annahm, ich hätte ihr oder Randy Geld gestohlen, um das Kartenspiel zu kaufen. Da sie mir niemals auch nur einen Cent für mich selbst gaben, erschien ihre Annahme auch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Mir gelang es, Janet davon zu überzeugen, dass ich sie nicht bestohlen hatte, indem ich ihr zu verstehen gab, dass sie doch viel zu schlau sei, um so etwas nicht gleich zu bemerken. Ich war mittlerweile eine ziemlich geschickte Lügnerin geworden. Und das musste ich auch sein, um die Billingtons immer wieder zu beschwichtigen. Unglücklicherweise war unsere Begegnung damit noch nicht zu Ende. Sobald Janet die Sache mit dem Geld abgehakt hatte, erkannte sie die Gelegenheit, ihre Freundinnen mit den Karten zu unterhalten. Sie wollte, dass ich ihnen zum Donnerstagstee die Karten legte, und es spielte keine Rolle, dass ich nicht die geringste Ahnung davon hatte. Wenn Janet etwas wollte, musste es auch geschehen.
Also improvisierte ich. Als in der nächsten Woche wieder die Frauen vom Friseur kamen, legte ich die Karten nach einem willkürlichen Muster aus, so wie ich es im Fernsehen gesehen hatte, und drehte sie eine nach der anderen um. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir plötzlich der Kopf schwirrte und wie die Bilder einfach nacheinander in meinem Kopf auftauchten. Ein Hund, ein Buch, ein Mann, dem ein Finger fehlte. Das Ganze machte mir ein wenig Angst. Die Bilder wirkten so lebendig. Ohne nachzudenken, sagte ich den Frauen einfach, was ich sah. Es gefiel ihnen nicht. Die Karten zeigten mir die Wahrheit über ihr Leben, und die meisten Menschen mögen die Wahrheit nicht.
Ich brauchte eine Weile, um mich daran zu gewöhnen, dass ich in den Karten das Leben anderer Leute las. Ich sah nur einen kleinen Ausschnitt, aber daraus formte sich ein Bild von der Person vor mir; ein wenig Vergangenheit, ein wenig Gegenwart und ein wenig Zukunft. Sobald mir die Sache vertraut war, versuchte ich, in mir selbst zu lesen, in der Hoffnung, etwas über meine Vergangenheit herauszufinden. Aber bei mir selbst funktionierte es nicht. Auf welche Weise auch immer ich die Karten legte, niemals war da dieses Schwirren in meinem Kopf, wenn ich Fragen nach mir stellte, und es kamen auch nie irgendwelche Bilder.
Ein Nachteil meines neu entdeckten Talents war, dass es mit meinen Nachmittagen im Secondhandladen nun vorbei war. Nachdem ich ihren Freundinnen mehrere
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