Im Zeichen des Schicksals
Bogenfenster an den Fluren der Thornton Academy und warf Schatten auf die teppichbelegten Böden. Josh und ich gingen zu unseren Schließfächern, und die Hallo-Rufe kamen von allen Seiten.
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, dass du hier Miss Allseits-Beliebt bist«, meinte Josh neben mir und grinste.
»Das bin ich auch nicht.« Ich sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Ich kenne nicht einmal die Hälfte der Leute, die hier ›Hi‹ sagen!«
»Nun gut, sie kennen dich.« Josh drosselte das Tempo, als wir sein Schließfach erreichten. »Übrigens hat mir Rektor Nelson mitgeteilt, dass unsere Kostüme für das Ahornfest fertig sind. Ich bringe sie heute Abend nach dem Training mit nach Hause.«
Wir mussten Kostüme tragen? Ich hatte die ganze letzte Nacht damit verbracht, meine Mission neu zu überdenken, und war zu mehreren Schlussfolgerungen gekommen. Erstens: Josh war immer noch in Gefahr, daher kam es nicht in Frage, East Wendell zu verlassen. Zweitens: Ich musste eine Methode finden, mit der ich Leute auf Besessenheit testen konnte, ohne erst darauf warten zu müssen, dass sie Salz aßen oder eine bestimmte Art Schmuck trugen. Drittens: Ich hegte eine abgrundtiefe Abneigung gegen Sandra Witherspoon. Das Ahornfest und die Tatsache, dass ich meine Rolle als Ahornkönigin irgendwie hinter mich bringen musste, waren mir bei alledem nicht einmal in den Sinn gekommen!
Josh lachte. »Du schaust, als hättest du eine Fliege verschluckt.«
Ich musste unbedingt lernen, meine Mimik zu kontrollieren. »Mir war einfach nicht klar, dass wir Kostüme anziehen müssen.«
Er zog sein Lateinbuch heraus und stopfte seinen Rucksack ins Schließfach. Dann drehte er sich zu mir um.
»Es wird dir gefallen. Ein komplettes Königinnenkostüm einschließlich Krone und Schärpe.« Er schien es wirklich zu genießen.
»Du kannst ganz schön gemein sein, weißt du das?« Ich versetzte ihm einen kleinen Schubs oder versuchte es zumindest, aber Josh fing meine Hand auf. Er hielt sie fest, und unvermittelt breitete sich ein warmes Gefühl in meiner Magengegend aus. Dann versteinerte sein Lächeln, und mir stockte der Atem. Was hatte er plötzlich? Ich trat einen Schritt zurück und zwang ihn damit, mich loszulassen.
»Ich ergänze mein Notizheft um den Eintrag ›gewalttätige Tendenzen‹.« Sein Lächeln war wieder da, doch es wirkte nicht echt. Ich wusste, dass ich jetzt irgendwie reagieren, Lässigkeit demonstrieren sollte, aber durch meinen Schädel schwirrten immer noch allerlei seltsame Gefühlsregungen.
»Ich gehe jetzt besser«, sagte ich nach einem weiteren Augenblick der Verlegenheit und rannte fast den Flur hinunter zu meinem Schließfach. Die Schüler, an denen ich vorbeikam, lächelten und begrüßten mich, als sei ich eine von ihnen, aber ich konnte nur daran denken, dass das alles nicht wirklich war. Es gab für mich nicht den geringsten Anlass, mich zu fühlen, als ob … ach, auch nur für irgendjemanden etwas zu fühlen! Nichts von alledem war wirklich real, und das durfte ich nie vergessen! Die Ahornkönigin zu sein, im Haus der Beaumonts zu leben, auf die Thornton Academy zu gehen … Es war alles Teil eines Scheinlebens, alles nur vorübergehend, und schon bald würde ich alles hinter mir lassen müssen. Ich musste aufhören, überhaupt zu fühlen!
Ich stopfte meine Tasche ins Schließfach, nahm die Bücher heraus, die ich für die nächsten paar Kurse brauchte, und legte den Daumen auf den Touchscreen, um die Tür abzuschließen.
Mein Platz war noch frei, als ich in den Englischkurs kam, aber Ian saß in der vorderen Reihe. Er saß jetzt nicht einmal mehr neben mir? Warum benahm er sich so? Er war der einzige Mensch auf der Welt, der von den Visionen wusste, der einzige, dem ich je vertraut hatte.
»Hi, Celine«, sagte Rebecca neben Ian. Sie wirkte etwas mitgenommen, als hätte sie nicht allzu gut geschlafen. Ihre Augen waren klein und verquollen, und ihre Haut wirkte bleich. Ian schaute gar nicht erst auf. Unwillkürlich fühlte ich mich gekränkt, aber ich war entschlossen, mir das von niemandem anmerken zu lassen. Es war zweifellos besser, niemandem zu trauen, besser, nichts zu fühlen.
»Hi, Rebecca«, antwortete ich mit einem Lächeln und ging die Reihen entlang zu meinem gewohnten Platz. Der Kurs ging nur schleppend vorüber. Ich versuchte, Peterson, der über das Bild der Stadt in der modernen Literatur schwafelte, meine volle Aufmerksamkeit zu schenken, aber mein Blick wanderte immer wieder
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