Im Zeichen des Schicksals
dich nicht verlassen. Doch, hatte sie. Meine echte Mutter hatte das getan.
»Hi, Celine.«
Blinzelnd sah ich auf, überrascht, dass Helen mich anlächelte. Die kleine Blondine, die in Analysis neben mir saß, spielte mit einem Gummiband und wartete, dass der Unterricht anfing. Ohne es zu merken, war ich für die zweite Stunde des Tages in den Matheraum gegangen. Ein schneller Blick in die Runde, und ich stellte fest, dass die Hexen bereits ihre Plätze in einer der hinteren Reihen eingenommen hatten; aber Josh war noch nicht da.
»Hi.« Ich zwang das Wort förmlich aus meinem Mund, dann setzte ich mich.
»Ach, hallo, Celine.« Allein schon Sandras Stimme ging mir auf die Nerven. Ich war nicht in der Stimmung für ihre versteckten Beleidigungen. Nicht jetzt. Aber mein mangelndes Entgegenkommen schreckte die Königin der Hexen nicht ab.
»Alles in Ordnung, meine Liebe? Du wirkst ein wenig aufgelöst. Ist etwas passiert? Du hast doch keine schlechten Nachrichten erhalten, oder?«
Das Blut gefror mir in den Adern.
Sandra war kein netter Mensch, das wusste ich, aber sie konnte nichts mit dem Telefonanruf zu tun haben. So grausam konnte sie nicht sein.
Warum nicht? Sie hat versucht, Josh mit Drogen k. o. zu setzen, vergiss das nicht.
Ich drehte mich langsam auf meinem Stuhl um und musterte die Hexen; sie alle trugen auf ihren Make-up-verkrusteten Gesichtern den Ausdruck gespielter Sorge um mich. Doch da war Häme, direkt unter der Oberfläche.
Sie war es. Sie hatte es doch tatsächlich getan.
Meine Beine spannten sich an, in dem Drang loszurennen. Hundert Möglichkeiten schossen mir durch den Kopf. Ein Buch werfen, treten, schreien, sie mit jedem Schimpfwort unter der Sonne belegen … Aber letztlich kam nichts von alledem in Frage, schließlich hatte sie es bewusst darauf angelegt, mich zu verletzen. Randys Gesicht erschien vor meinem geistigen Auge. Er hatte mich gern dazu getrieben, ihm den Gehorsam zu verweigern, damit er mich bestrafen konnte. Und genau das war es, was Sandra gerade machte. Sie wollte, dass ich irgendetwas unternahm, mich in Schwierigkeiten brachte, warum sollte sie sonst durchblicken lassen, dass sie hinter dem Telefonanruf steckte?
Ein leises Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich die Hexen ansah. Ich würde ihnen nicht geben, was sie wollten. Auf keinen Fall.
»Es ist alles in Ordnung, Sandra. Ich habe nur gerade an das Kleid der Ahornkönigin gedacht. Ich kann gar nicht erwarten, es anzuprobieren.«
Das dumme Grinsen auf ihren Gesichtern verschwand auf der Stelle.
Zarte Schleierwolken waren am Himmel aufgezogen, als es zum Mittagessen läutete. Ich brauchte nun dringend etwas von Melissas schwungvollem Enthusiasmus, und so verstaute ich all meine Bücher im Schließfach und machte mich auf den Weg zur Mensa. Als ich unseren gewohnten Tisch ansteuerte, bemerkte ich, dass manche Schüler mir merkwürdige Blicke nachsandten, aber ich war viel zu abgelenkt von Melissas zornentbrannter Miene, um ihnen sonderliche Beachtung zu schenken.
»Ist irgendetwas schiefgelaufen?«
»Die ganze Welt läuft schief!«, knurrte Melissa, dann schob sie ihre Hefte beiseite. Kein gutes Zeichen. Die bräunlichen Seiten mit all den darauf hingekritzelten Zahlen waren ihr kostbarster Besitz. »Ich meine, wieso darf sie überhaupt ungestört hier über die Flure gehen? Sie ist ein echtes Monster, und jeder, der das nicht sofort merkt, hat einen Dachschaden. Im Ernst!«
»Ich nehme an, du sprichst über Sandra?« Ich seufzte. Da gingen meine Hoffnungen dahin, mich von Melissas positivem Wesen ablenken zu lassen.
»Ja, von dieser blöden Ziege spreche ich!« Melissa warf einen erregten Blick durch die Mensa dorthin, wo besagte Ziege auf ihrem gewohnten Platz Hof hielt. Ich bemerkte, dass Ian zwischen Sandras Kumpaninnen saß, während Nick und Josh auf der anderen Seite des Tisches ihr eigenes Gespräch führten. Nur Matt fehlte.
»Nach deinem gefassten Verhalten zu urteilen, hast du es wohl noch nicht gehört.« Melissas Stimme klang jetzt gleichermaßen zornig und besorgt.
Ich wandte mich wieder ihr zu. » Was soll ich noch nicht gehört haben?«
»Die Hexen haben allen erzählt, dass du den Teufel anbetest.«
Also war Sandra verärgert, weil ich nach dem Telefongespräch heute Morgen nicht fluchtartig das Weite gesucht hatte, und jetzt machte sie sich daran, Gerüchte über mich auszustreuen?
»Hast du schon mal davon gehört, dass der Teufel tatsächlich ein Dschinn war, der von Engeln
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