Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
in die Hände.
»Was ist passiert?«, fragt Dad.
Tante Bev schüttelt den Kopf und blickt ihren Mann wütend an. »Ich hab ihm gesagt, er soll die Petition nicht unterschreiben, aber er hat nicht auf mich gehört.«
Dad schaut zwischen beiden hin und her. »Bev, was ist passiert?«
»Er hat seinen Job verloren. Dougie hat ihn gerade eben gefeuert.«
Dad zieht einen Stuhl neben Onkel Tom. »Das kann er doch nicht einfach mit dir machen«, sagt er.
»Natürlich kann er das«, faucht Tante Bev. »Er ist Dougie Evans. Er tut, was er will. Das hättest du wissen müssen, Tom.«
Onkel Tom steht auf. Er packt seine Jacke und geht zur Tür.
»Wohin willst du?«, schnaubt Tante Bev.
»Raus«, antwortet er. »Ich brauch frische Luft.«
Er drängt sich an uns vorbei und ich höre die Haustür zuschlagen.
»Wir brauchen das Geld, Tom«, ruft sie ihm durch das offene Fenster nach. »Was sollen wir machen, ohne Geld?«
Auch ich verlasse die Küche. Tante Bev ist in keiner guten Stimmung. Ich erwarte schon, dass sie mich und Dad anmeckert, aber sie lässt sich auf einen Stuhl sinken. Sie wischt sich ein paar dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht und starrt an die Decke.
»Was soll ich jetzt tun, Jim?«, sagt sie. »Wir können diesen Monat die Miete nicht zahlen.«
Dad legt Tante Bevs Hand in seine. »Die Dinge werden sich richten, Bev, wirst schon sehen.«
Aber Tante Bev schüttelt den Kopf. Sie trocknet nicht einmal die Tränen auf ihren Wangen. Die Tropfen bilden inzwischen dunkle Flecken auf dem T-Shirt, das sich über ihren prallen Bauch spannt.
»Wir können nicht auch noch Kara und dich durchfüttern«, sagt sie. »Weiß Gott, wie wir selbst über die Runden kommen.«
Dad nickt, sitzt neben ihr und hält immer noch ihre Hand. »Ihr wart immer gut zu uns, Bev«, sagt er, »es tut mir so leid.«
Ich drehe mich von der Tür weg und will die Treppe hochgehen. Aber auf der untersten Stufe sitzt Daisy und hat Teddykatze fest an die Brust gedrückt. Daisys Gesicht sieht verquollen aus. Ihre Augen sind vom Weinen gerötet.
»Ich will nicht, dass ihr geht«, sagt sie. Sie schlingt die Arme um mich.
Ich knuddle sie ganz fest. »Komm schon, Daisy«, sage ich und lege den Arm um sie. Wir stapfen gemeinsam die Treppe hoch in ihr Zimmer. Ich setze mich neben sie aufs Bett und drücke sie an mich. »Carl hat heute Morgen Angel freigelassen«, sage ich.
»Ich wär gern mitgekommen«, sagt sie.
Ich streiche ihr übers Haar und fühle mich schlecht, weil ich alleine gegangen bin. Aber ich konnte ja nicht Tante Bev fragen. Sie hätte selbst mich niemals gehen lassen. »Das Delfinkälbchen hat seine Mutter wiedergefunden. Sie hat in der Bucht auf Angel gewartet.«
Daisy lächelt und pflückt die Fusselbällchen aus Teddykatzes Fell.
»Und das Riff haben wir auch gerettet«, sage ich. »In der Zeitung ist ein Foto von dir und mir. Wir sind berühmt, Daisy!«
Daisy zieht die Stirn in Falten. »Dougie Evans ärgert sich sehr darüber.«
»Ich weiß«, sage ich und muss einfach lächeln. »Aber wir haben die anderen Fischer auf unsere Seite gebracht. Sie werden das Riff nicht zerstören.«
Daisy schüttelt den Kopf. »Dad hat gesagt, er würde es nicht tun, und deshalb hat Dougie Evans angefangen zu schreien.«
» Was würde Onkel Tom nicht tun?«
Daisy schaut mich an. Ihre Unterlippe bebt. »Ich hab sie in der Küche streiten gehört. Und Dougie Evans wird es trotzdem tun.«
Mein Herz klopft bis zum Hals. Ich versuche, in Daisys Gesicht zu lesen. » Was tun?«, frage ich.
Daisy drückt Teddykatze fest an ihre Brust. »Dougie Evans hat gesagt, dass er raus aufs Meer fährt, wenn die Mitternachtsflut kommt, und dass er jede Koralle in der Bucht herausreißen wird.«
Kapitel 31
»Das ist doch wirklich völlig egal«, sage ich.
In meiner Hand drehe und wende ich das brüchige Skelett eines rosafarbenen Seefächers. Ein kleines Stück bricht ab und fällt in den nassen Sand. Jeden Tag werden mehr und mehr Seefächer und Korallen an den Strand gespült. Fast ein Monat ist vergangen, seit die einheimischen Fischer den freiwilligen Fangverzicht unterzeichnet haben. Aber seitdem sind immer mehr Trawler aus anderen Fischereihäfen entlang der Küste hierhergekommen und haben die Bucht mit Schleppnetzen durchpflügt. Es scheint so, als würden sie weder auf die Fangsperre noch auf die Bucht Rücksicht nehmen.
Felix schleudert einen Kieselstein in die Wellen. »Dad hat gehört, dass sich die einheimischen Fischer beklagen,
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