Im Zimmer wird es still
hinein. Der Schatten der Gardinen wirft ein orientalisches Muster auf den Fußboden. Lichtflecken fallen auf die flache Truhe neben der Couch, lassen jedes Staubkorn und jede Faser des Holzes einzeln hervortreten. Auf der Fensterbank bringt das Licht eine kleine Sandstein-skulptur, einen männlichen Torso, zum Leben, gibt ihr eine kristalline Kontur.
Im Fenster ist neben den Ästen der Linde eine kleine Ecke blauen Himmels zu sehen. Wenn das Bett ein Stück weiter links stehen würde, könnte ein Sonnenstrahl sein Gesicht erreichen. Er schließt die Augen und versucht, es sich vorzustellen. Die Wärme auf dem Gesicht, das Tanzen der Lichtflecken auf den Lidern. Auf einer Bank sitzen, in die Bäume blicken. Ein leichter Wind kommt auf.
Er öffnet die Augen wieder. Vielleicht könnte er Andreas bitten, das Bett ein Stück zu verschieben. Er denkt an Andreas. Wie er sich anstrengt, alles Schmerzliche von ihm fern zu halten. Ihn zu entlasten, stark zu sein. Am Anfang hatte er sich in beides verliebt, in diese Sensibilität und in die Stärke, die hinter seiner Zurückhaltung schimmerte wie ein noch ungehobener Schatz.
Hoffentlich behält Mark recht. Denn je mehr er über seine Idee, Andreas zu heiraten, nachdenkt, desto mehr will er es. Er fragt sich, warum er nicht eher auf diese Idee gekommen ist.
Im Fenster glitzert eine Spinnwebe. Sie wird nur sichtbar, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel einfällt. Nach einer halben Stunde verschwindet sie wieder. Er hat Andreas nicht auf sie hingewiesen, sie stört ihn nicht. Sie markiert eine halbe Stunde am frühen Nachmittag, wenn alles friedlich und ruhig ist.
Er schließt die Augen. Ein Lärmpegel aus klirrenden Gläsern, lateinamerikanischer Musik, Stimmen, Gelächter. Andreas kam aus der Küche, nahm Gläser vom Tresen. Sah gut aus mit dem weißen Hemd und der langen roten Schürze. Bewegte sich ruhig und gewandt. Hetzte nie, stockte nie, geriet nie aus dem Fluss seiner sparsamen Bewegungen. Verteilte die Gläser an einem Tisch, stimmte in das Lachen ein. Dann wandte er sich einem anderen Gast zu. Hörte die Freundlichkeit in Andreas’ Stimme, ohne die Worte zu verstehen.
Andreas trat an den Tisch, wo er mit anderen Geschäftsleuten saß. Trat dicht neben ihn, legte die Hand auf seine Schulter, als er die Bestellungen aufnahm. Er mochte diese Geste, vertraut und doch selbstverständlich. Andreas ging, drehte sich noch einmal zu ihm um, lächelte.
Draußen donnert ein Auto mit aufgedrehten Boxen vorbei. Er erschrickt und sein Tagtraum zerrinnt. Er schließt die Augen wieder, versucht zurückzukehren, versucht den Gedanken festzuhalten, aber es gelingt ihm nicht. Nur die Stimmung der Bilder hallt noch in ihm nach.
Andreas’ Haut roch nach Sonne. Er schlief neben ihm. Ein Olivenhain, hohes, vertrocknetes Gras. Die Sonne wurde langsam zu heiß, aber er blieb liegen, wachte über Andreas’ Schlaf. In der Ferne thronte die Kuppel von Santa Maria del Fiore über der Ebene. Der Wind raschelte mit den vertrockneten Samen der Gräser. Er schloss die Augen, überließ sich der Mittagswärme.
Ein Fiat hielt auf dem staubigen Weg neben ihnen. Eine schicke Italienerin kurbelte das Fenster herunter, fragte etwas. Er weckte Andreas auf, der ein bisschen Italienisch konnte. Nein, sie wollten nicht mitkommen, » mille grazie. Ciao «.
An den Olivenhain schlossen sich Weinberge an, die Trauben hingen reif und saftig an den Rebstöcken. Einmal halfen sie Paul bei der Weinlese, die Sonne brannte nicht mehr, trotzdem war es anstrengend. Die anderen Männer waren die Arbeit gewohnt. Als die Sonne unterging, das Licht sich färbte, saßen sie alle vor dem Gut und tafelten. Bevor sie wieder heimfuhren, trieben sie es mit Paul, der ganz entzückt von Andreas war.
Einmal war ein befreundetes Paar bei ihnen zu Besuch. Sie zeigten ihnen die Umgebung, Andreas kochte und dann schliefen sie alle miteinander. Aber es war nicht so schön und vertraut wie mit Paul.
Sein Neffe, der so alt wie Andreas war, kam zu Besuch und stellte ihnen seine amerikanische Verlobte vor und lud sie zu ihrer Hochzeit ein. In den USA verhielt sich sein Bruder unmöglich. Er wollte Andreas nicht bei der Hochzeit dabei haben, machte ihm Vorhaltungen, dass er ihn einfach mitgebracht habe. Was denn die Brauteltern, die überzeugte Christen seien, denken sollten. Wie er das nur seinem Neffen antun könne. Das alles vor Andreas, den er wie Luft behandelte.
In ihrem Hotelzimmer spürte er den Jetlag, aber auch die
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