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Im Zimmer wird es still

Im Zimmer wird es still

Titel: Im Zimmer wird es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Walther
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zu schlafen, aber es war trotzdem schön.
    Plötzlich fällt ihm ein, dass er Marks Auto gar nicht vor dem Haus gesehen hat. Mark ist schon weg und Peter allein. Er springt auf und geht eilig hinein. Peter scheint zu schlafen.
    Immer öfter liegen Peters Hände eigenartig verkrampft auf der Decke, nur die vorderen Fingerglieder sind gekrümmt, der Rest der Hand ist gestreckt, fast überstreckt, die Daumen leicht abgespreizt. Ausdruck seiner Schmerzen oder vielleicht auch der Lähmung.
    Er jammert vor Tamara, dabei ist es Peter, der leidet, der Schmerzen hat und krank ist. Er massiert sanft Peters Hand, um die Verkrampfung zu lockern.
    Ob es gut für Peter sein würde, wenn einmal in der Woche jemand anderes käme? Sicher wäre es eine Abwechslung. Aber andere kennen sich gar nicht so gut mit allem aus, machen vielleicht etwas falsch. Mark allerdings weiß über das Meiste Bescheid, kann vieles sogar besser als er. So viel ist auch wieder nicht zu beachten, die Schwestern machen ja das Schwierigste. Er müsste Tamara alles zeigen, aber sie würde das schon schaffen. Und Peter mag sie.
    Er merkt, dass er die Werbung und die kostenlose Zeitung noch immer in der Hand hält. Setzt sich in den Sessel und schlägt sie auf. Auf der Titelseite wird über ein Wettpaddeln in ausgehöhlten Riesenkürbissen berichtet. Er überfliegt die Kleinanzeigen. Ein Typ bietet an, jungen Männern die Füße zu lecken. Die Anzeige stand schon vor neun Jahren, als er die Rubrik noch regelmäßig durchforstete, mit genau demselben Wortlaut in der Zeitung. Dann fällt sein Blick auf die Veranstaltungstipps. Im Jazzkeller gibt es am Abend ein Konzert. Er liest die Beschreibungen zu den aktuellen Kinofilmen und macht ein Kreuz neben zwei. Siebzehn Uhr, zur Nachmittagsvorstellung, das würde gehen. Er blickt auf, starrt gedankenversunken aus dem Fenster. Es klingelt an der Tür.
    Es ist Schwester Evelyn, die schon an ihm vorbei ins Wohnzimmer eilt, bevor er sie hereinbitten kann. Er bringt ihr eine Schüssel mit warmem Wasser. Bleibt neben dem Bett stehen und streichelt Peters Wange.
    »Können sie bitte aus dem Weg gehen.«
    Er steht auf der anderen Seite des Bettes, wo er ihr überhaupt nicht ins Gehege kommt, aber er sagt nichts und geht weg.
    Er beschäftigt sich in der Küche, schichtet das Geschirr in der Spülmaschine um, damit noch eine Tasse hineingeht. Aber dann schaut er doch hinüber. Die Schwester hat die Spritze in der Hand. Als sie die Kanüle durch die Haut sticht, verzieht Peter das Gesicht. Er geht wieder hinüber. Die Schwester zieht die Nadel heraus und tupft die Stelle ab.
    Als sie alles weggeräumt hat, nimmt sie die Pflegedokumentation aus der Schublade und füllt das Blatt aus. Ohne aufzublicken sagt sie: »Den Urinbeutel wechseln sie dann?« Sie zieht den Satz am Ende nicht hoch, mehr eine Feststellung als eine Frage.
    »Wo sie gerade da sind, können sie das ja machen.« Er gibt dem Satz einen freundlichen, geschmeidigen Klang. Die Schwester schaut hoch, der Zug um ihren Mund wird säuerlich. Aber sie geht um das Bett herum und wechselt schnell den Urinbeutel. Er bringt ihr eine Mülltüte, um den vollen zu entsorgen. Sie wäscht sich die Hände, dann eilt sie mit einem knappen »Auf Wiedersehen« davon. Er verschließt die Haustür hinter ihr, will gerade wieder zurück ins Wohnzimmer gehen, als es läutet. Er öffnet die Tür und steht Mark gegenüber.
    »Du warst doch schon …«
    Mark drängt sich an ihm vorbei: »Hat Peter nichts gesagt? Ich wollte vielleicht noch mal wiederkommen.«
    »Oh, schön.« Er ist immer noch ein bisschen aus dem Konzept, schließt die Haustür.
    Mark küsst ihn: »Die reizende Schwester grüßt auch nicht jeden.«
    »Bei so vielen Reizen könnte man glatt vom Glauben abfallen.«
    Mark lacht über seine Antwort und steckt ihn damit an. »Gib’s zu, du hast eine heimliche Affäre mit ihr, deswegen muss sie sich jetzt so abhetzen.«
    »Erwischt.« Er strahlt, »Naja, wenn, dann wäre es wohl eher Schwester Annegret, die ist viel netter.«
    »Du hast eben einen Hang zu Älteren!« Sie müssen wieder lachen, dann berührt er Mark am Arm und schiebt ihn ins Wohnzimmer. Mark geht zum Bett und küsst Peter.
    »Mit wem hat Andreas eine Affäre?«
    »Ach, wir konnten uns nicht zwischen Schwester Annegret und der anderen entscheiden.«
    »Deswegen ist sie heute so eingeschnappt! Eifersucht.«
    Sie lachen mehr, als der Scherz hergibt. »Willst du mit essen?«
    »Ja, gern.« Mark schlägt die Decke am

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