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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Betty mit offenem Mund an. Sie klatschte in die Hände und knipste ihr Grinsen an. »So! Und ab jetzt gilt wieder die andere Regel.«
    »Welche andere Regel?« Mir ging das hier alles zu schnell. Dieses Gespräch war die reinste Achterbahnfahrt.
    »Welche andere Regel?«, äffte sie mich nach. »Na, die andere Regel. Die Regel Nummer eins. ›Im Urlaub soll jeder machen, was er will‹, egal was. Das gilt auch für dich. Insofern«, sie machte ein bedauerndes Gesicht, »muss ich dich wohl oder übel machen lassen, was du willst. Auch wenn es beschissen ist.«
    Es nervte mich sofort, dass Betty die Sache mit Felix ab jetzt wegen dieser albernen Urlaubsregel unter den Tisch fallen lassen wollte. Natürlich hatte ich genauso wenig Lust, mich deswegen den Rest unserer Reise mit ihr zu streiten, aber es hätte mir geholfen, wenn sie sich etwas mehr Mühe damit gegeben hätte, sich in meine Lage zu versetzen.
    Ich sagte aber nichts weiter dazu, zumal uns in diesem Moment Marco vom Strand her entgegenspaziert kam. Er sah erleichtert aus. »Alles wieder gut bei euch? Na, Gott sei Dank.« Er watete die paar Meter durchs Wasser zu uns her und integrierte sich in unsere Rentnerrunde. »Dann ist mein geheimer Versöhnungsplan ja gar nicht mehr nötig.«
    »Du hast einen geheimen Versöhnungsplan? Für Betty und mich?« Das fand ich irgendwie rührend.
    »Klar. Ich kann diese Missstimmung in der Reisegruppe nicht ertragen. Da dachte ich mir, wenn ihr beiden nicht in der Lage dazu seid, euch zusammenzuraufen, dann rauf ich euch eben zusammen.«
    Betty legte interessiert den Kopf schief. »Und da hattest du dir was genau überlegt?«
    »Na ja …« Auf Marcos Gesicht machte sich ein durchtriebenes Grinsen breit, das den Eindruck vermittelte, dass möglicherweise er an diesem ominösen Versöhnungsplan die größte Freude haben würde. »Ich bin heute Morgen in Lagos an einem Plakat für eine Veranstaltung vorbeigekommen, die heute Abend in einer Diskothek am Hafen stattfindet. Perfekt für einen Mädelsabend.« Er setzte beim letzten Wort mit seinen Zeigefingern kleine Anführungsstriche in den knallblauen, portugiesischen Himmel. »Ich hab natürlich sofort Karten für uns alle gekauft. Gemeinsame Erlebnisse schweißen ja schließlich zusammen, gell?«
    »Mädelsabend?« Betty betrachtete ihn argwöhnisch. »Ich will gar nicht wissen, was du unter einem Mädelsabend verstehst, Schnuppi. Live-Pediküre mit Slayer, oder was?«
    »Besser.«
    »Die Schauspieler von Remedio Santo kommen für eine Autogrammstunde in die Stadt? Oder … Nein! Bitte sag nicht, dass irgendeine Laienspielgruppe Mamma Mia aufführt.« Ich warf Marco einen flehenden Blick zu. »Ich meine … Lucy wäre begeistert. Aber ich kann damit echt nichts anfangen, tut mir leid.«
    Marco schüttelte den Kopf. Er war kurz davor loszulachen. »Nein. Aber fast. Nur besser.«
    »Ich hab keine Ahnung.«
    »Jetzt sag schon!«, drängelte Betty.
    »Okay. Haltet euch fest!« Marco legte jeder von uns einen Arm um die Schulter und zog uns an sich heran. Ein kleines Prusten kam ihm über die Lippen, bevor er verschwörerisch flüsterte: »Kennt ihr die Chippendales?«

18
    Der Teil mit Boys, Boys, Boys
    BETTYS MIXTAPE
    Reel Big Fish – I Want Your Girlfriend To Be My Girlfriend
    Natürlich waren es nicht die Chippendales, die sich an diesem Abend in Lagos diverse Male die Kleider vom Leib reißen würden, sondern eine billigere Version davon namens Gentle Men. Ein naheliegendes Wortspiel, mit dem die gut gebauten Herren, die uns von den Plakaten am Eingang entgegenblickten, es vielleicht weit bringen würden. Oder eben nicht.
    In der klimatisierten Disko: Frauen, überall Frauen. Ein einziger großer Mädelsabend. Und dazwischen Marco. Obwohl er offensichtlich gar kein Mädel war. Als wir uns an den Tisch setzten, der zu unseren Platzkarten gehörte, wurde er von den umsitzenden Damen mit forschenden Blicken bedacht. War dies einer der Gentle Men inkognito? Aber ein Blick auf Marcos wenig trainierte Statur unter dem Guns’N’Roses- T -Shirt beantwortete die Frage von selbst. Die einzige Erklärung für seine Anwesenheit konnte also nur eine verlorene Wette sein.
    Doch weit gefehlt. Marco war freiwillig hier: »Ist doch lustig!« Bisher war er aber der Einzige in unserer Gruppe, der das so sah.
    Ich hatte noch nie zuvor eine derartige Veranstaltung besucht und hatte es auch noch nie in Betracht gezogen. Ich sah keinen Sinn darin, Männern beim Entkleiden zu Musik zuzusehen.

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