Im Zweifel suedwaerts
kannst du mir jetzt sagen?«
»Du bist scheiße, Schätzelein.«
»Oh.« Und dafür hatte sie mich vor dem Ertrinken gerettet?
»Scheiße ist, wer beschissene Dinge tut. Und was du da gerade veranstaltest, ist beschissen, keine Frage. Aber«, sie hob eine Hand um mich davon abzuhalten, etwas zu erwidern, »ich liebe dich. Und es ist beschissen, wenn wir uns streiten. Ich will nicht scheiße sein, deswegen will ich mich nicht mit dir streiten.«
Vielleicht lag es daran, dass ich gerade, etwas überspitzt ausgedrückt, dem Tod entronnen war, aber in diesem Moment war die Logik ihrer Argumentation für mich nicht von der Hand zu weisen. »Ich will mich auch nicht mit dir streiten, Betty.«
»Siehste.«
Für ein paar Minuten standen wir schweigend im seichten Wasser wie zwei Rentner und überließen den Wellen das Reden. Ich kniff meine Augen gegen die Sonne zusammen. »Obwohl streiten irgendwie zu uns gehört. Wir streiten uns ständig.«
»Wir haben eben fast immer unterschiedliche Ansichten.«
»Aber findest du das nicht komisch? Wie sind wir überhaupt Freunde geworden, wenn wir so verschieden sind?«
Betty zuckte mit den Schultern. »Musste wohl so sein.«
Mit dieser Antwort gab ich mich nicht zufrieden. »Aber du verstehst mich nicht, und ich versteh dich nicht, und eigentlich ist das doch das, was eine Freundschaft ausmacht: dass man sich gegenseitig versteht.«
»Sagt wer?«
Das Fernsehen? Oma Mathilde? »Keine Ahnung.«
»Ich glaube, Freundschaften, in denen sich beide immer verstehen, ist was für Anfänger. Und das gilt nicht nur für Freundschaft, Schätzelein, denk mal drüber nach.«
Ich sah sie ratlos an.
Betty rollte ungeduldig mit den Augen. »Sondern auch für Beziehungen. Das hab ich dir schon vor Tagen gesagt, aber du lernst eben nicht besonders schnell, was?«
»Tja, also, ich …«, begann ich.
Aber sie fiel mir ins Wort. »Darum geht es jetzt ja auch gar nicht. Es geht um uns. Und wir lieben uns und wollen Freunde sein, klarer Fall, obwohl wir alles immer komplett anders sehen als die andere. Wir sind die Profis.« Sie sagte den letzten Satz voller Stolz und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, das sich unweigerlich auf mich übertrug. Wir waren die Profis. Wir waren unerschütterlich. Ich lehnte mich zu ihr hinüber und schlang meine Arme um ihren Hals. Betty tätschelte mir den Kopf. »Du bist so kitschig manchmal. Das ist fast schon widerlich.«
» Du bist doch diejenige, die hier die ganze Zeit von Liebe redet.«
»Weil ich sonst immer von Sex rede, Schätzelein, deswegen hat das einen guten Effekt. Oder?«
Ich wollte darauf gerade antworten, als eine besonders wütende Welle mir den Sandboden unter den Füßen wegzog und ich wieder umfiel und Betty dieses Mal mit mir riss. Wasser und Haare überall, verknotete Beine und mindestens drei blaue Flecken. Betty jammerte, weil ich sie teilweise unter mir begraben hatte. Ich rappelte mich auf, so schnell es ging, und hielt ihr eine Hand hin, um sie hochzuziehen. Sie warf mir einen gespielt bösen Blick zu, ließ sich dann aber doch auf die Beine helfen.
»Das hast du jetzt davon«, sagte sie.
»Tut mir leid.« Atemlos, aber trotzdem lachend wischte ich mir den Sand von der Haut.
»Dir wird noch so einiges leidtun.« Betty klang plötzlich ernst, und als ich sie ansah, um mich zu vergewissern, dass sie nur einen Witz machte, erkannte ich, dass dem nicht so war. Ihr Gesicht war frei von jedem Lächeln. »Ich hab keinen Bock, das immer wieder durchzukauen, deswegen sage ich es dir jetzt noch dieses eine letzte Mal: Wenn du Richard mit Felix betrügst, wirst du das bereuen. Früher oder später.«
»Ich habe nicht vor, Richard zu betrügen.«
»Glaub mir, ich weiß sehr gut, was so alles passieren kann, auch wenn man sich vornimmt, dass es nicht passiert. Und als Freundin muss ich dich darauf hinweisen. Das wäre hiermit erledigt. Und noch eine Sache: Ich bin ich.«
Ich wartete, dass sie diese relativ offensichtliche Aussage näher ausführte, aber das tat sie nicht, also hakte ich nach. »Und?«
»Nichts und, das ist es ja eben. Schlimm genug, dass Richard sich deiner Meinung nach bis zum Genickbruch verbiegen muss, damit er in deine Freund-Schablone passt. Aber ich tu das nicht. Ich geb mir keine Mühe, damit ich in deinem Leben die beste Freundin spielen darf. Ich bin ich, und du kannst dich immer auf mich verlassen. Also hör gefälligst auf, mich unter Druck zu setzen mit deinem ständigen Gemaule.« Ich starrte
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