Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
Vom Netzwerk:
umarmte. Mir fiel auf, dass es zwischen Richard und mir bisher noch gar keinen Körperkontakt gegeben hatte. Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er die ganze Situation zum Kotzen fand. Aber ich hatte ja auch nicht die Zeit meines Lebens.
    »Na, so eine Überraschung!«, rief ich, und meine Stimme klang affektiert und viel zu hoch.
    Hannes wiegte verlegen den Kopf. »Na ja, ich hab’s gerade schon Betty gesagt: Ohne Sky wären wir gar nicht hier. Er hat uns die Flüge geschenkt, gleich nachdem du ihn angerufen und angepöbelt hast – schönen Gruß übrigens. Er wollte das Geld für den Bus nicht einfach schicken, also sind wir quasi die Kuriere. Ich hab’s euch mitgebracht …« Er nestelte in seiner Hosentasche herum, zog sein Portemonnaie heraus und öffnete es. Eine beeindruckende Sammlung Hunderteuroscheine kam zum Vorschein.
    Ich winkte panisch ab. »Du meine Güte, doch nicht hier!« Hannes verstaute schulterzuckend das kleine Vermögen wieder in seiner Tasche und starrte mich dann forschend an.
    »Was?«, fragte ich gehetzt. Ich hatte jetzt keine Zeit für irgendwelchen Quatsch.
    Hannes bewegte seinen Finger kreisförmig um seinen Mund. »Du hast da …«
    »Oh!«, machte ich.
    Betty reichte mir eine Serviette. »Hier, Schätzelein. Draufspucken, abwischen.«
    Das tat ich auch. Die Serviette war hart und kratzig. Mit großer Sicherheit war meine Haut jetzt nicht weniger rot als vorher, nur aus anderen Gründen. Während die Zellulose also meine Epidermis aufscheuerte, fragte ich Betty so unverfänglich wie möglich: »Wo ist denn Lucy eigentlich?« Es kam mir so vor, als hätte ich diese Frage seit Beginn unseres Urlaubs täglich etwa zwanzigmal gestellt …
    »Wollte zum Klo«, antwortete Betty und nahm mir die Serviette ab. »Aber da ist eine Megaschlange, das dauert Ewigkeiten, bis man da mal dran ist. Ich hab ihr auch gesagt, sie soll einfach in die Büsche gehen, aber seit der Autopanne in den Bergen … Na ja, du kennst ja unsere Lucinda. Und kaum war sie weg, kam auch schon der liebe Hannes«, sie klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter, »und dann hab ich uns erst mal einen Drink gekauft.«
    »Ich warte auch auf Lucy«, erklärte Hannes, unnötigerweise, und es war ihm anzusehen, dass er nervös war. Ganz offensichtlich erhoffte er sich viel von diesem Wiedersehen. Und dass er es nicht in der Schlange vor dem Damenklo stattfinden lassen wollte, sprach nicht nur, wie so vieles andere, für ihn, es war auch sein Glück. Wer wusste, was er zu sehen bekam, wenn er Lucy überraschte? Wer wusste, was passieren würde, wenn Ramon ihr beim Warten Gesellschaft leistete und Hannes die beiden erwischte wie zuvor Richard mich und Felix?
    »Und wo sind die anderen?«, fragte ich Betty. Ich dachte, sie würde den Hintergrund meiner vagen Fragestellung verstehen.
    Tat sie aber nicht. Offensichtlich war sie sich über die Explosivität der Situation absolut nicht im Klaren. »Marco, Ana und Ramon?« Letzterer Name veranlasste mich dazu, erschrocken Luft durch die Zähne zu ziehen. »Tanzen, oder?«
    Wir alle wandten wie auf ein Zeichen den Blick zur Tanzfläche, auf der Ana, wunderschön und von einer Traube von Männern umstellt, sich begeistert zur Musik bewegte. Wenige Sidesteps von ihr entfernt trat Marco unbeholfen von einem Bein aufs andere, während Ramon in hartem Kontrast dazu direkt neben ihm gekonnt seinen durchtrainierten Arsch bewegte. Er hatte sein T -Shirt ausgezogen und trug obenrum nichts außer seinem Sixpack. Vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, aber kein Problem, solange ich ihn und Lucy auf Abstand halten konnte.
    Apropos. »Ich muss los.« Ich ließ meine Freunde an der Bar stehen und marschierte davon, bis mir einfiel, dass ich Ihnen vielleicht eine Erklärung schuldig war. »Zum Klo!«, rief ich ihnen über die Schulter hinweg zu und kämpfte mich mal wieder durch eine Menschenmasse. Inzwischen hatte ich den Dreh glücklicherweise raus.
    Betty hatte nicht gelogen. Die Schlange war so lang, dass man meinen konnte, hier wäre eine Gegenveranstaltung zu der Party auf der Terrasse im Gange. Das Geschnatter, Gekreische und Gekicher auf dem Parkplatz vor dem Klohäuschen war ohrenbetäubend. So ungefähr musste es sich in einer Legebatterie anhören. Manchmal war es mir peinlich, eine Frau zu sein.
    »Lucy?!« Ich reckte meinen Hals und versuchte, in der Menge eine blonde Frau mit pinkfarbener Kleidung zu erkennen. Das gelang mir schnell. Auf

Weitere Kostenlose Bücher