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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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meine drückte. Seine Zunge suchte sich ihren Weg zu meiner. Es war nicht der schönste Kuss meines Lebens. Und als er vorbei war und sich Felix von mir löste, wurde mir erst bewusst, wie schlimm das, was gerade passiert war, wirklich war. Denn während Felix in die Hände klatschte, als hätte er gerade einen Hundert-Meter-Sprint gewonnen, und freudig erklärte, dass seine Phobie jetzt endlich überwunden sei (und das freute mich für ihn, ehrlich), erkannte ich jemanden in der Menschenmenge auf der Promenade. Er stand nur wenige Schritte entfernt und beobachtete uns.
    »Daphne …«, war alles, was er sagte. Und es klang so enttäuscht und verletzt, dass ich am liebsten auf der Stelle angefangen hätte zu weinen.

20
    Der Teil in flagranti
    DAPHNES MIXTAPE
    Fourth Of July – Tan Lines
    Felix war ungehalten, weil unser Abend zu zweit gestört worden war. »Was ist das denn bitte für ein Clown?«
    »Das musst du gerade sagen.« Richard hatte recht. Nachdem ich mir den Lippenstift vorsichtshalber ziemlich dick aufgetragen und Felix mich unerwartet ziemlich stürmisch geküsst hatte, war er nun rund um die Lippen dermaßen rot verschmiert, dass er tatsächlich ein bisschen so aussah wie ein Clown. Mir wurde schlagartig bewusst, dass es bei mir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht anders war, und ich wischte mir beiläufig mit dem Handrücken über den Mund. Aber eigentlich hatte ich jetzt ganz andere Probleme als das. Größere. »Richard …«, begann ich, wurde aber von Felix unterbrochen.
    »Ach, das ist also dein Freund?«
    »Und du bist?«
    »Richard, das ist Felix. Mein Exfreund.« Den letzten Satz murmelte ich kaum hörbar, weil es mir peinlich war. Peinlicher als mein verschmierter Mund.
    Felix hingegen, der sich nach wie vor nicht im Klaren dar über zu sein schien, wie bescheuert er aussah, grinste überheblich. »Tja, du der Freund, ich der Exfreund. Hätte man so jetzt nicht gedacht, oder?«
    Richard war nicht der Typ, der sich provozieren ließ, was wirklich für ihn sprach. Und so wie ich ihn kannte, hielt sich sein Interesse an Felix, dem Clown, ohnehin in sehr engen Grenzen. Eigentlich wartete er bloß darauf, dass ich ihm die Situation erklärte. Damit er Bescheid wusste und gehen konnte. Er wandte sich von Felix ab und sah mich direkt an. Sein Blick war müde. »Daphne, was soll das?«
    Verlegen schaute ich auf meine Füße, aber wenn ich gehofft hatte, dort so etwas wie eine Eingebung zu finden, hatte ich umsonst gehofft. Ich konnte bloß den Kopf gesenkt halten und mich schämen. Gut möglich, dass ich mich, objektiv betrachtet, doch schlechter benommen hatte, als ich mir das zunächst eingestanden hatte. Und dass es nichts anderes als die gerechte Strafe für mein Fehlverhalten war, dass mein Freund so mir nichts, dir nichts in Lagos auftauchte und mich in flagranti erwischte. Dieser Umstand widersprach zwar allen Regeln der Wahrscheinlichkeit, aber ich wäre ja nicht Daphne Weilandt, wenn nicht ausgerechnet mir so etwas passieren würde. Was schieflaufen konnte, lief schief bei mir. So war das eben, so war das schon immer gewesen.
    Unglücklich hob ich meinen Blick und sprach die fünf schlimmen, verbotenen Worte: »Ich kann es dir erklären.«
    Richard war darüber mindestens so entsetzt wie ich selbst. Seine Stimme zitterte ein bisschen vor Wut. »Ach, wirklich? Kannst du das?«
    »Bitte glaub mir, Richard … Da war nichts!« Verdammt. Es wurde einfach immer schlimmer und schlimmer und schlimmer.
    »Okay. Wunderbar. Da war also nichts.« Er musste sich merklich zusammenreißen. »Ich dachte zwar, ich hätte eben gesehen, wie ihr euch geküsst habt, aber das gehörte dann wohl auch zu dem Nichts, das war. Oder wie? Tut mir leid, aber ich kenn mich damit nicht so gut aus.«
    Ach so, ja. Der Kuss. »Na ja, abgesehen davon …«
    »Interessant«, schaltete sich Felix ein, und ich hätte ihm in diesem Moment am liebsten einen ordentlichen Tritt verpasst – dahin, wo es wehtat. Stattdessen reichte es aber nur zu einem mahnenden Blick, der ihn jedoch nicht davon abhielt zu reden. Natürlich nicht. Wie hatte ich auch nur im Ansatz darüber nachdenken können, diesen Idioten Richard vorzuziehen? »Da war also nichts, Daphne? Kam mir ganz anders vor. Ich meine … soweit ich weiß, haben wir uns hier heute nicht verabredet, um Schnorcheln zu gehen. Gestern haben wir eine gemeinsame Nacht verbracht – in meinem Hotelbett, falls du dich erinnerst –, und es war klar, dass wir das heute wiederholen

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