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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Anhieb fand ich sieben. »Lucy!!!«, rief ich noch einmal, lauter dieses Mal, und hatte somit die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hühnerhaufens gewonnen. Einige Frauen drehten sich zu mir um, manche sahen mich neugierig an, andere abschätzig.
    Ich lief die Schlange ab, die viel Konfliktpotenzial für die Wartenden bereithielt, weil es sich dabei nicht um eine geordnete Reihe handelte, sondern eher um eine Zusammenrottung von Grüppchen von Frauen mit vollen Blasen. Wenn hier kein Nummernsystem eingeführt worden war, würde es früher oder später zu einem unschönen Vorfall kommen, so viel stand fest.
    »Ey! Nicht vordrängeln!« Eine der Frauen, die ungefähr fünf Jahre jünger als ich sein musste, aber mindestens zehn Jahre älter aussah, schlug ihre türkisfarbenen, künstlichen Fingernägel in meinen Unterarm und hielt mich fest. Ihr Blick war erbarmungslos, ähnlich wie der ihrer umstehenden Freundinnen.
    Mit spitzen Fingern versuchte ich, ihren Griff zu lockern. Darunter hatte ich rote Striemen auf der Haut. »Ich muss ja gar nicht aufs Klo, ich …«
    »Lass mich raten: Du suchst nur eine Freundin?« Ich schrak zusammen, als sie ein knallendes Geräusch mit ihrem Kaugummi erzeugte. »Wir sind doch nicht bescheuert. Stell dich gefälligst hinten an.« Der lange, falsche Nagel ihres Daumens deutete ans Ende der Schlange.
    Mit Frauen, die dringend pinkeln müssen, ist nicht zu spaßen. Dessen war ich mir bewusst. Aber was soll schon passieren, dachte ich, wenn ich mich einfach nicht weiter um diese alberne Person kümmere, sondern nach Lucy suche. Solange ich das Klohäuschen nicht betrat, konnte mir niemand etwas vorwerfen. Wenn man die Situation ganz vernünftig betrachtete.
    Unglücklicherweise war Vernunft nicht unbedingt eine Stärke von Miss Naildreams. Als ich mich in die aus ihrer Sicht falsche Richtung bewegte, ließ sie noch ein zweites warnendes »Ey!« verlauten, bevor sie mir mit zwei schnellen Schritten folgte und einen so kräftigen Schubs verpasste, dass ich vornüber in den Sand fiel.
    Daraufhin verstummten auch die Gespräche in der Schlange.
    Ich drehte mich auf den Rücken und sah diese massive Gestalt über mir stehen. »Falsches Ende«, giftete sie mich an, und verschränkte die Arme vor ihrer enormen Brust.
    »Zeig’s ihr, Naddi!«, rief eine ihrer Freundinnen.
    Naddi grinste. Sie dachte, sie hätte gewonnen. Aber da irrte sie sich.
    Obwohl es in mir brodelte, stand ich so ruhig und gelassen wie möglich auf, wischte mir den Sand vom Kleid und ging weiter Richtung Klotür. Sofort hielt sie mich wieder am Arm fest. Ein Raunen ging durch die Menge.
    Ich sah ihr fest in die Augen und zwang mich, nicht zu blinzeln, obwohl sie jetzt auch noch angefangen hatte zu kneifen, und das tat wirklich weh. »Lass mich los.«
    »Vergiss es«, zischte sie.
    In einer schnellen Bewegung entzog ich ihr meinen Arm und schubste sie von mir weg, so wie sie es vorher mit mir getan hatte. Nur fiel sie leider nicht um, so wie ich vorher. Was außerdem ziemlich bedauerlich war: Sie bekam meine Haare zu fassen und zog daran.
    Mir entfuhr ein kleiner Schmerzensschrei, den ich am liebsten sofort wieder zurückgenommen hätte. Nur keine Schwäche zeigen. Naddi und ihre Freundinnen lachten. Ich fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und versuchte, die Hand zu fassen zu bekommen, die an meinen Haaren zerrte. Da ich so aber nicht weiterkam, konzentrierte ich mich stattdessen auf ihre Beine. Ich ignorierte den Schmerz an meinem Kopf, so gut es ging, holte Schwung und trat ihr mit voller Wucht auf den Fuß, sodass sie den Halt in ihrem Flip-Flop verlor und stolperte. Ich stolperte zwangsläufig hinterher. Naddi fluchte, als sie das Gleichgewicht verlor und im Sand landete. Dabei büßte ich ein Büschel Haare ein. Und das tat nicht nur weh, das gab mir und meiner Selbstbeherrschung außerdem den letzten Rest.
    Wutschnaubend stürzte ich mich auf sie, hielt ihre Hände mit den fiesen Krallen fest, mit denen sie versuchte, mich im Gesicht zu kratzen, und kämpfte gegen sie an, schwer atmend und schwitzend, bis die Gegenwehr langsam weniger wurde, endlich zum Erliegen kam und Naddi nur noch wimmern und betteln konnte. Nicht weil ich so stark war, nicht weil ich ihr wehtat. Sondern weil Naddis Blase bis oben hin voll war. Und ich auf ihrem Bauch saß.
    »Geh von mir runter!«, heulte sie.
    »Nein.« Meine Kopfhaut brannte.
    Sie kniff angestrengt die Augen zusammen. »Biiiitteee!«
    »Nein!«
    »Geht doch mal einer

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