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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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meine Haare auch nur ein bisschen feucht werden, krieg ich so eine dämliche Naturkrause. Das sieht voll bescheuert aus. Richtig hässlich.«
    »Dann mach’s wie ich!« Betty zeigte stolz auf ihre Dreads.
    »Igitt!« Angewidert verzog Lucy das Gesicht. »Die sind dreckig und müffeln.«
    Jetzt war es Betty, die beleidigt die Unterlippe vorschob. »Na, wenn das so ist, muss ich wenigstens nicht in der Mitte schlafen.«
    »Ich aber auch nicht!«, rief Lucy von hinten.
    Das bedeutete dann also … Ich fuhr herum. »Moment mal!«
    Mit einem lauten Knall flog die Schiebetür zu, und kurz darauf kletterte Betty neben mir auf den Fahrersitz. »Tut mir leid, Schätzelein. Wie sagten noch gleich die alten Griechen? Die Würfel sind gefallen.«
    »Das waren die Römer.«
    Sie ignorierte meinen Einwand und zog eine Musikkassette aus der Hosentasche, die sie mit sanfter Gewalt ins Kassettenfach der Vorderkonsole drückte.
    Ein CD -Deck oder einen Anschluss für MP3 -Player suchte man in Skys Bus vergeblich. Radio oder Tapes, eine andere Möglichkeit Musik zu hören gab es nicht. Betty und ich hatten die Gelegenheit genutzt, um ganz nostalgisch, wie früher, unseren Urlaubssoundtrack auf zwei 90er zu bannen. Zum Glück hatte ich mein altes Tapedeck immer aufbewahrt. Es war zwar etwas verstaubt, funktionierte aber noch einwandfrei, und so verbrachte ich einige einsame Abende – denn Richard war ja nie da –, umgeben von Bergen von CD s auf dem Boden vor dem Gerät in unserem unfertigen Wohnzimmer, rauchte Zigaretten und schwelgte in musikalischen Erinnerungen. Allein dafür musste ich mich irgendwann bei Sky bedanken.
    »Moment!« Ich nahm meinen Rucksack auf die Knie und wühlte darin herum. »Ich hab doch auch ein Mixtape gemacht.«
    Betty warf mir einen seltsamen Blick zu. »Ich weiß. Ich auch.«
    »Ich dachte das wäre …« Ich zeigte verwirrt auf die Buskonsole.
    » Das ist das Mixtape von Lucinda. Das hören wir zuerst. Schadenersatz, weil sie umpacken musste.«
    »Oh, nein, bitte nicht …«
    In den Boxen rauschte und knackte es. Dann ein paar Takte Musik. Dann Howard Carpendales unverkennbarer Akzent. »Du sagtest ti amo , das heißt isch lieb disch so.« Betty und ich warfen uns einen Blick zu, dann startete sie den Motor.
    »Woo-hoo. Süden, wir kommen«, rief sie, aber es klang nicht begeistert.
    Und hinten im Bus jaulte Lucy: »Was ist geblieben von deinem mich lieben. Von hundertmal ti amo . Sagtest du das nur so. Weil es dazu gehört. Worte sind billig, sind manchmal so billig …«
    In meiner Vorstellung hatte es zu unserer Fahrt über die Elbbrücken andere Begleitmusik gegeben. Ein letzter Blick auf das schöne Hamburg, die aufsteigende Sehnsucht und die kribbelnde Urlaubsfreude im Bauch. Dazu vielleicht der Klassiker: Bob Marley. Oder was Freshes von De La Soul. Alles eigentlich. Aber Belinda Carlisle?
    Betty fand’s gar nicht sooo schlecht, bat aber darum, geweckt zu werden, falls sie vor Langeweile ins Koma fiel. Diese Aussage beunruhigte mich ein wenig. Was mich außerdem beunruhigte, durfte ich nicht ansprechen, weil die Worte Zeitplan und Urlaub ja schließlich unvereinbar waren. Aber es ging, nun ja, um unseren Zeitplan. In meiner perfekten Vorstellung vom perfekten Beginn dieser perfekten Reise hatten wir die Elbe um die Mittagszeit im gleißenden Sonnenlicht überquert. In der Realität passierten wir diese Stelle erst fünf Stunden später, und es bot sich uns zwar der schöne Anblick orangefarbener Vorabendwolken, sehr viel Strecke würden wir aber heute nicht mehr machen. Wir hatten ja nur eine Fahrerin. Betty. Ich hatte keinen Führerschein, und Lucy hatte Angst, den Bus zu fahren. Die nicht zu ignorierende Wahrheit war, dass wir unseren ersten Urlaubstag komplett vertrödelt hatten. Das frustrierte mich. Weil ich deswegen aber nichts sagen durfte, stöhnte ich lediglich leise genervt.
    »Schätzelein, wenn du Hunger hast, iss ein Stück Torte. Der Kühler quillt über mit dem Scheiß.«
    »Ich will keine Torte essen, Betty.« Es war schlimm genug, dass ich mich des Verbrechens schuldig gemacht hatte. Jetzt auch noch die Beweismittel wegzufuttern, dafür war ich nicht abgebrüht genug.
    »Torte?!«, fragte Lucy, die zwar auch nicht abgebrüht, aber ahnungslos war. Eine unwissende Mittäterin.
    Ich drehte mich auf meinem Sitz zu ihr nach hinten um und zeigte auf die kleine Luke in der Bank neben dem Küchenschrankherd. »Im Kühler.« Sie beugte sich nach vorn und wollte die Klappe öffnen, doch

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