Im Zweifel suedwaerts
getackert hatte.
Warum bloß hatte ich mir den Bus vor unserer Abreise nicht einfach einmal angesehen? Einmal, das hätte ja gereicht. Einmal und nie wieder. »Das ist nicht Skys Ernst …« Ich öffnete das kleine Schränkchen unter dem verdreckten Kochfeld hinter dem Beifahrersitz und machte einen Schritt zurück, als mir zwei Plastikbecher entgegenfielen, aus denen vor längerer Zeit Kaffee getrunken worden war. »Er hat gesagt, er hat extra für uns aufgeräumt.«
»Ist doch ganz nett hier.« Betty war auf die Matratze gestiegen und hatte begonnen, die Regale darüber zu untersuchen. »Guck mal, er hat uns sogar was zum Lesen dagelassen.« Nachdem sie den Staub vom Umschlag gewischt hatte, hielt sie mir das Buch unter die Nase, und ich griff danach.
»›Die Kunst des Liebens‹?« Der Einband war schwarz und aus Gründen, die ich mir lieber nicht vorstellen wollte, extrem klebrig. Ich überflog schnell den Klappentext. Es ging um Philosophie. So viel verstand ich.
»Wenn du mich fragst: genau das Richtige für dich«, hörte ich Betty sagen. »Da kannst du sicher noch was lernen. Vielleicht hast du ja Glück, und es steht sogar was über Sexfallen drin.« Sie übersah geflissentlich mein Augenrollen, als ich ihr das Buch zurückgab, nahm es und warf es achtlos zurück in das Regal.
»Und jetzt?«, fragte ich. »Durchwischen, Bett beziehen, einladen, abhauen?«
»Das ist der Plan.« Betty krabbelte aus dem Bus und schloss die Schiebetür mit einem Rumms, als wir beide wieder auf der Straße standen. »Und auf Pläne stehst du doch.«
Da ich Oma Mathildes Meinung zum Schlafengehen im Streit nur zu gut kannte, war es nicht schwer für mich, mir vorzustellen, was sie von einem Versuch gehalten hätte, die Sache mit der Sexfalle vor meiner Abfahrt noch einmal mit Richard zu besprechen. Gar nichts nämlich. Lass einen Mann nie mit Sorgen und Nöten zurück, kümmere dich selbst darum, sonst beschwörst du nur Unheil herauf. Das hätte sie gesagt. Und als Reaktion auf eine andere Ansicht meinerseits hätte sie mit strengem Blick einen Drops gelutscht und mir einen Vortrag darüber gehalten, warum es kein Wunder war, dass mich noch kein Mann hatte ehelichen wollen, wenn ich immerzu ihre guten Ratschläge ignorierte. Was ich oft tat, zugegeben. Aber nur, weil der größte Teil der guten Ratschläge von Oma Mathilde in den letzten fünfzig Jahren nach und nach seine Gültigkeit verloren hatte.
Hier und heute und was die Sexfalle betraf, war ich mit der alten Dame allerdings voll auf einer Linie. Ich würde das Thema unangetastet lassen und keinesfalls den nächsten großen Streit provozieren, den ich dann ungeklärt in meine dreiwöchigen Ferien mitnehmen müsste. Und Richard in seine Daphne-freie Zeit. Es blieb mir ja immer noch die Hoffnung, dass mein Ärger von ganz allein verfliegen würde, sobald wir die Elbbrücken passierten und ich damit beginnen konnte, meinen Freund zu vermissen.
»Die Nacht war schön«, flüsterte Richard in mein Ohr, sein Gesicht in meinem Nacken und die Arme um meine Taille gelegt.
Zur Antwort seufzte ich. Das konnte er auf seine Weise interpretieren, und ich konnte mir meinen Teil denken. »Pass ein bisschen auf Hannes auf, okay? Er wirkt so niedergeschlagen.«
Und er gab sich keine Mühe, das zu verbergen. Mit hängenden Schultern und schlurfenden Schritten half er Betty beim Einladen der Einkäufe. Er hatte sich wohl erhofft, Lucy wenigstens kurz zu sehen, vielleicht die Chance auf ein Gespräch zu bekommen. Aber er war enttäuscht worden. Lucy hatte darauf bestanden, aus ihrer Wohnung abgeholt zu werden. Dort saß sie nun vermutlich schon seit dem frühen Morgen auf gepackten Koffern und kaute nervös auf den Fingernägeln, weil wir viel zu spät dran waren. Dem Zeitplan nach hätten wir uns bereits irgendwo hinter Hannover auf der Autobahn befinden sollen. Aber laut Betty durfte man die Worte Zeitplan und Urlaub nicht in einem Satz verwenden.
»Und wer passt auf mich auf?«, fragte Richard und drückte mich an sich.
»Hannes«, antwortete ich. »Und falls du mich vermisst, kannst du ja anrufen.«
»Du kannst mich auch anrufen.«
»Klar, aber ich würde mich auch freuen, wenn du mich anrufst.«
»Ich würde mich auch freuen.«
Aaaahhhh! »Okay.« Mein Kopf pochte. »Ich ruf dich an. Zufrieden?«
»Nein.« Er drückte mir einen Kuss auf den Mund und ließ mich los. »Du wirst mir fehlen.«
Ich verkniff mir den Hinweis, dass ich ihm nicht hätte fehlen müssen, hätten
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