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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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mein Leben gestolpert und hätte er mich nicht nach einem Jahr voller Hin und Her schließlich doch davon überzeugt, dass wir ein gutes Paar abgaben, hätte mich allein die Tatsache, dass ich die Tochter der Braut war, davor bewahrt, das Hochzeitsdinner am Singletisch einnehmen zu müssen. Dort hätte ich dann neben dem spätpubertierendem Sohn der besten Freundin meiner Mutter gesessen, gegenüber von Lionel, Joes Neffen, der gerade mitten im Informatikstudium steckte und dessen Haut und Haare so blass waren, als wäre er kein Mensch, sondern eines von diesen Insekten, die in absoluter Dunkelheit leben. Und auch die anderen einsamen Herzen boten einen eher traurigen Anblick. Es war fast so, als wäre der Singletisch einzig und allein eingerichtet worden, um den glücklichen Paaren unter den Gästen den deprimierenden Anblick der Übriggebliebenen zu ersparen, damit sie bloß nichts an die düsteren Zeiten erinnerte, die sie selbst hatten überstehen müssen, bevor die Liebe in ihr Leben trat.
    Wie sich diese düsteren Zeiten angefühlt hatten, wusste ich nur zu gut. Ich hatte den größten Teil meines Lebens als Single verbracht und hatte diesen Zustand immer unbedingt schnellstmöglich beenden wollen. So unbedingt, dass ich zwangsläufig wieder und wieder an »die Falschen« geraten war. Nie für lang, was aber nicht daran lag, dass ich irgendwann meinen Fehler selbst bemerkt hätte, sondern daran, dass die meisten von ihnen schon nach wenigen Monaten mit mir Schluss machten. Oder nach wenigen Wochen. Oder auch mal Tagen. Das hätte mir zu denken geben können. Wenn ich nicht immer zu beschäftigt damit gewesen wäre, mich wegen jedem dieser unpassenden Exfreunde dem schlimmsten Liebeskummer meines Lebens hinzugeben. Die traurige Bilanz: Die Summe der Monate und Jahre, in denen ich heulend auf dem Sofa lag, während mein Herz in Fetzen hing, übersteigt die Summe der Dauer all meiner »Beziehungen« bei Weitem. Ich habe das mal nachgerechnet. Eine Analyse des griechischen Staatshaushalts hätte nicht deprimierender ausfallen können. Aber, tröstete ich mich, hinterher ist man immer schlauer. Derartig bescheuert werde ich mich in Zukunft nicht mehr verhalten.
    Und das hatte ich auch nicht.
    Seit drei Jahren existierten in meinem Leben weder unpassende Männer noch Quartalsliebeskummer, nach dem man die Uhr stellen konnte. Ich würde an dieser Stelle gern behaupten, das läge daran, dass ich wirklich schlauer geworden war und meine Lektion endlich gelernt hatte. Die Wahrheit aber war, dass ich das alles Richard zu verdanken hatte. Seinetwegen befand ich mich jetzt in diesem Zustand, von dem ich geglaubt hatte, dass ich ihn niemals erreichen würde. Und ich spreche nicht davon, schwerelos durchs All zu schweben. Ich meine: ich befand mich zum ersten Mal in meinem Leben in einer Langzeitbeziehung.
    Ich weiß nicht genau, was ich mir darunter all die Jahre vorgestellt hatte, aber jetzt, da ich diese ominöse Stufe in einer Beziehung erreicht hatte, in der man nicht mehr besonders viel Mühe auf die Auswahl der Unterwäsche verwendete und vor dem Schlafengehen öfter ein Buch las, als sich durch die Laken zu wühlen, war ich etwas ernüchtert. Gleichzeitig war ich mir aber auch darüber im Klaren, dass ich selbst diejenige war, die lieber ein Buch las. Und dass das mit der Unterwäsche allein meine Sache war, weil Richard, solange ich ihn kannte, immer nur diese bequemen Boxershorts trug und ich es äußerst befremdlich gefunden hätte, ihn plötzlich im Herrentanga zu sehen. Genauer gesagt wäre das nicht nur befremdlich. Es wäre verstörend.
    Und letztendlich ging es ja auch nicht um das, was man drunter trug, sondern um das, was die Beziehung ausmachte (und wenn das Unterhosen waren, dann herzliches Beileid). In Richards und meinem Fall war das vor allem die Tatsache, dass wir immer eine schöne Zeit miteinander hatten. Egal, ob wir bei seiner Tante Doris in der Kneipe für den weiteren Abend vorglühten, einen romantischen Herbstspaziergang im Jenischpark machten oder bei IKEA seit zwei Stunden in der Kassenschlange warteten: Wir hatten immer Spaß. Richard wusste genau, wie er meinen Nacken kraulen musste, damit ich vor Gänsehaut zerfloss. Und ich wusste, wie ich ihn zum Lachen bringen konnte, selbst wenn er den schlimmsten Tag seines Lebens hinter sich hatte, nämlich indem ich ihm »I Wanna Riot« von Rancid vorsang und dazu tanzte – wer es nie probiert hat, weiß nicht, was das bedeutet.
    Es herrschte

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