Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
Vom Netzwerk:
die raschelnd an ihrem Handgelenk baumelte, und fing an, eine Zigarette zu drehen.
    »Warst du einkaufen?«
    Sie nickte. »Unten am Hafen ist ein Markt.«
    »Wir haben doch noch genug zu essen. Torte. Wurstwaren …«
    »Aber das hier haben wir nicht, Schätzelein.« Sie hielt mir die geöffnete Tüte unter die Nase.
    Ich sah nichts, außer Weißbrot und einem großen Papierpäckchen. »Was ist das?«
    »Fangfrischer Fisch. Eben noch da«, sie zeigte mit der freien Hand aufs Meer, »und später schon hier!« Ihr Zeigefinger piekte mir in den Bauch.
    Ich sah sie zweifelnd an. »Fisch?«
    »Was denn sonst? Du warst doch diejenige, die gestern den ganzen Abend herumgemault hat, dass sie etwas Landestypisches essen will. Also dachte ich mir, ich mach dir eine Freude und brat uns einen schönen Seebarsch. Fischbrunch.«
    Es gab keinen Grund, überrascht zu sein. Betty machte eben immer Nägel mit Köpfen. »Du willst jetzt im Bus einen Seebarsch braten?«
    »Nicht im Bus, Schätzelein. Ich bau uns eine Grillstelle. Ganz landestypisch. Ist ja schließlich Urlaub, nech?«
    Der Zusammenhang war etwas übers Knie gebrochen, aber von mir aus …
    Während ich am Strand nach Lucy Ausschau hielt, baute Betty im Windschatten des VW -Busses aus Steinen eine Feuerstelle, füllte sie mit Kohle, die wir in Deutschland im Supermarkt gekauft hatten, und machte ein Feuer. Es war bemerkenswert. Ich wusste nicht einmal, wie man einen handelsüblichen Gartengrill bediente, dabei machte doch laut dem »Dschungelbuch« genau das uns Menschen aus: Wir wussten, wie man ein kontrolliertes Feuer entfachte. Aber vielleicht war ich einfach mehr der technische Typ, der das Rad erfand oder so was.
    Lucy blieb fürs Erste verschwunden, aber noch machte ich mir keine Sorgen um sie. Es war Mittagszeit in Boulogne-sur-Mer, was sollte da schon passieren? Jeder hatte das Recht, sich zurückzuziehen und mit sich selbst und seinen Gedanken allein zu sein, auch Lucy. Irgendwann würde sie zurückkommen.
    Als Betty den Fisch im Grillgitter platziert und über das Feuer gelegt hatte, tauchten die beiden Polen auf. Sie trugen ihre schweren Rucksäcke mit Zelt und Schlafsack auf dem Rücken. Jeder von ihnen eine Cola-Flasche in der Hand kamen sie mit wehenden Haaren auf uns zugeschlurft, wie es Jungen in dem Alter eben taten.
    »Oh, Feuer«, bemerkte Karol scharfsinnig. Viktor blieb schweigend, wie man das von ihm kannte, neben ihm stehen.
    Betty richtete sich auf und schenkte den beiden ein Lächeln. »Fischbrunch. Habt ihr Hunger?«
    Die Polen nickten.
    »Und habt ihr zufällig Lucy gesehen?«, fragte ich in erster Linie Karol.
    Er stellte seinen Rucksack ab und benutzte ihn als Sitzgelegenheit. »Kein Stück. Sie hat mein Pulli.«
    »Stimmt.«
    »Ich friere.«
    »Dann setz dich ans Feuer.« Betty machte eine einladende Handbewegung, der die beiden wortlos folgten. Dann drehte sie das Grillgitter um, damit auch die andere Seite des Seebarschs angebraten werden konnte. Es roch köstlich. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Endlich einmal etwas anderes auf dem Teller als Torte.
    »Arrêtez!«
    Ich sah Karol, das Sprachgenie, fragend an, weil ich dachte, er wäre es gewesen, der plötzlich Französisch sprach. Aber er wirkte genauso verwirrt wie ich. Oder Betty, die sich suchend umschaute. Lediglich Viktor blieb unbeeindruckt wie immer.
    »Immédiatement!«
    Jemand hier sprach Französisch. Dieser Jemand kam vom Rand des Parkplatzes schnell und ohne Umwege auf uns zumarschiert, und als ich erkannte, um wen es sich handelte, rutschte mir das Herz ebenfalls sehr schnell und ohne Umwege in die Hose: ein Mann in Uniform. Ein französischer Polizist mit Schnauzbart. Aufrecht. Und ungehalten.
    Ich öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte. Drei Jahre Schulfranzösisch. Alles für die Katz. Komplett wertlos im Angesicht der französischen Staatsmacht. Das einzige Wort, das mir einfiel, war Baguette, und das war inzwischen eingedeutscht und galt nicht und würde uns außerdem nicht weiterhelfen, da war ich mir sicher.
    »Il est interdit de faire du feu.« Der Polizist bedachte jeden Einzelnen von uns mit einem strengen Blick, bemerkte aber schnell, dass niemand so wirklich verstand, was er von uns wollte. Dumme Touristen. Auch das noch. Er machte eine ausdrückliche Handbewegung in die Richtung des halbgaren Seebarschs. »Éteindre-le! Maintenant!«
    »Hat er was gegen den Fisch oder das Feuer?«, fragte Betty und kratzte sich bedächtig am Kopf.
    »Im Zweifelsfall

Weitere Kostenlose Bücher