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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Ich glaube nicht, dass er besonders nette Worte für uns fand. Er schien sich jedenfalls kein Stück zusammenzureißen, aber das musste er auch nicht. Er wusste schließlich, dass wir kein Wort verstanden.
    »Ich will los!«, nörgelte Lucy.
    Seufzend und in aller Seelenruhe griff Betty nach dem Besen, den Sky neben der Bustür deponiert hatte, damit man regelmäßig den Sand ausfegen konnte. »Hier. Halt mal«, sagte sie, reichte mir das Fischgitter und begann, die mit Cola getränkten Überreste unserer Feuerstelle zu entfernen. »Ordnung muss sein.«
    Unter anderen Umständen vielleicht. In diesem Moment wollte ich einfach nur so schnell wie möglich verschwinden. Da war ich mit Lucy ganz auf einer Linie. Wenn auch aus anderen Gründen.
    Der Polizist pöbelte noch immer.
    Karol und Viktor stiegen schweigend in den Bus. Ich bemühte mich, einen guten letzten Eindruck zu hinterlassen und packte noch einmal mein plumpes, deutsches Lächeln aus. »Merci beaucoup«, sagte ich, und machte einen Knicks, und der Polizist antwortete »Partirez d’ici!« Dann sagte er noch »Salopes«, und ich dachte Salopp? Das Wort kenne ich, aber ich war mir ziemlich sicher, dass die Bedeutung im Französischen nicht dieselbe war wie im Deutschen.
    Dann hätte, was er sagte, wirklich keinen Sinn gemacht.
    Ich setzte mich, den dampfenden Seebarsch in seinem Grillgitter noch immer in der Hand, auf den Beifahrersitz, wartete, bis Betty endlich ihre Aufräumaktion beendet hatte, und schickte ein Dankgebet gen Himmel, als sich der Bus schließlich in Bewegung setzte, bevor der Rest der Gendarmerie von Boulogne-sur-Mer anrücken konnte. Betty hupte noch einmal, und der Polizist fluchte. Und ich fluchte auch, weil ich mich an dem heißen Gitter verbrannt hatte.
    »Scheiße.«
    »So was kommt von so was, Schätzelein.«
    »Was kommt wovon?«
    »Regeln, Gesetze, Staatsgewalt. Eins kannst du mir glauben: Ich habe alle Brandschutzmaßnahmen befolgt. Das dort eben war das sicherste Feuer, das in diesem Bolognese-Dorf je gebrannt hat. Aber interessiert das jemanden? Nein. Da kommt sofort der kleine Franzose im Anzug und später das Sondereinsatzkommando und warum? Wegen eines Fischs. Jetzt haben die einen riesigen Fleck auf dem Parkplatz, du hast dich verbrannt …«
    »Und wir müssen achtzig Euro Strafe zahlen.«
    »Außerdem wird der Seebarsch kalt.« Na ja, kalt … Ich sah zu, wie die Brandblase auf meinem Oberschenkel langsam größer wurde. »Und warum? Weil das in irgendeinem komplett lebensfremden Buch steht.«
    »Du meinst das Gesetzbuch?«
    Rechts von uns flogen Häuser vorbei, links lag groß und grau das Meer. Betty nahm rasant eine Kurve. Ich hatte Mühe, den Fisch so festzuhalten, dass er mir nicht auch noch das andere Bein ansengte. »Wenn es Max nicht gäbe, ich hätte es drauf ankommen lassen. Ich hätte genüsslich den Seebarsch gefuttert und auf die anderen Franzosen in ihren frisch gebügelten Uniformen gewartet. Und wenn sie dann gekommen wären …«
    »Können wir vielleicht gleich mal anhalten und diesen Fisch essen?«, unterbrach ich sie. »Der wird langsam schwer.«
    »Und er stinkt!«, rief Lucy von hinten.
    »Lucinda, merk dir eins«, Betty drehte sich zu ihr um und ließ die Straße einfach mal außer Acht. Ich bekam Herzrasen. »Frischer Fisch stinkt nicht. Niemals. Und dieser Fisch ist so frisch, der hatte noch Seetang an der Flosse.«
    »Herrlich, Betty, aber kannst du bitte auf die Straße gucken?«
    »Klar kann ich das, Schätzelein.« Sie richtete ihren Blick wieder vorschriftsmäßig auf die Fahrbahn, nur um einen Moment später scharf rechts ranzufahren und den Motor auszustellen. »Wir sind da.«
    Ich sah aus dem Beifahrerfenster auf ein Feld, auf der anderen Seite erblickte ich eine niedrige Mauer, den Strand, das Meer, sonst nichts. »Und wo genau sind wir?«
    »Am perfekten Ort, um einen Seebarsch zu essen, was denkst du denn? Nah genug am Meer, weit genug weg von der Polizei.« Betty stieg auf ihrer Seite des Busses aus, ging an der Windschutzscheibe vorbei, öffnete meine Tür und nahm mir das Gitter ab. »Oha. Heiß.«
    »Was du nicht sagst«, antwortete ich matt, wedelte meinem Bein etwas kühle Seeluft zu, krabbelte von meinem Sitz und wurde sofort von einer steifen Brise begrüßt. »Nordsee«, murmelte ich.
    Auch die anderen drei Passagiere stiegen aus dem Bus, überquerten die Straße und ließen sich neben Betty auf der Strandmauer nieder. Es war ein schöner Anblick. Vier Reisende, alle Zeit der

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