Im Zweifel suedwaerts
gegen beides.«
»Sag ihm, dass wir hier einen Fischbrunch veranstalten, das wird er verstehen. Franzosen sind doch so kulinarisch.«
»Nee, Betty, das lass ich lieber.«
»Warum? Weißt du nicht, was Fischbrunch auf Französisch heißt?«
Ich überlegte und antwortet gedehnt: »Doch.«
»Na, was denn?«
»Ähm …« Ich war mir nicht sicher. »Brunch de Poison?«
»Allemand?«, fragte der Polizist. Und das verstand ich. Mein passiver Wortschatz funktionierte also immerhin in Ansätzen. Ich nickte. »Si!«
»Das heißt ›oui‹«, verbesserte Karol mich.
Der Polizist zog einen Block und einen Stift aus seiner Hemdtasche. Dann zeigte er wieder auf die Feuerstelle und sagte: »Feu? Non!«, wedelte mit dem Zeigefinger und kritzelte etwas auf seinen Block. Er hielt seine Hände parallel mit den Handflächen nach unten und bewegte sie Richtung Boden. »Éteindre!«
Ich sah Betty an. »Ich glaube, er will, dass wir das Feuer löschen.«
»Schätzelein, das klingt einleuchtend.« Sie ließ den Polizisten keinen Moment aus den Augen. »Aber könnten wir uns nicht einfach dumm stellen, bis der Fisch durch ist? Das frage ich mich gerade.«
»Nein, Betty.« Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Ich gehe nicht für einen Seebarsch in den Knast.«
»Fürs Fischgrillen kommt doch keiner in den Knast.«
»Aber wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt.«
»Ich lösch Feuer.« Karol stand mit einem Seufzer von seinem Rucksacksitzsack auf und schraubte die Cola-Flasche auf. Er war gerade dabei, sie Richtung Feuer zu neigen, als Bettys Hand vorschoss und mit festem Griff den Flaschenhals festhielt. »Untersteh dich!«
Karols Gesicht war leer vor Unverständnis. »Untersteh?«
»Putain …«, murmelte der Polizist und brabbelte schnell irgendetwas in meinen Ohren vollkommen Sinnloses in sein Walkie-Talkie. Eine kratzige Stimme kam aus dem Gerät und brabbelte ebenso sinnloses Zeug zurück. Gleichzeitig riss der Mann in Uniform den obersten Zettel von seinem Block und hielt ihn mir hin. Ich nahm ihn, las und riss entsetzt die Augen auf.
»Achtzig Euro?!«
»Also, dafür will ich jetzt aber auch meinen Fisch essen«. Betty hielt noch immer das eine Ende der Cola-Flasche, Karol das andere.
Ich bedachte den Polizisten mit meinem hilflosesten Gesichtsausdruck. Offensichtlich war es kein Problem für ihn, meinem deutschen Charme zu widerstehen. Offensichtlich existierte für ihn so etwas wie deutscher Charme überhaupt nicht, denn seine Gesichtszüge blieben hart. »Äh … Monsieur?«, brachte ich über die Lippen.
Er presste seine aufeinander. »Sergent!«
»Pardon.«
Ein Moment der Stille. Bis auf das Brutzeln des Seebarsches und das Kreischen der Möwen. Ich suchte nach Worten. Ich fand keine.
»Schätzelein, sag jetzt nicht, das ist alles, was du kannst.«
»Du bist wirklich keine große Hilfe, Betty«, zischte ich und versuchte es mit einem möglichst niedlichen Lächeln erneut bei dem Franzosen. »Nous veut manger le poison. Le feu, c’est malade. Nous somme trés pardon.«
Der Polizist sah mich entgeistert an. Ich intensivierte mein Lächeln. Er sprach wieder in sein Walkie-Talkie.
»Betty, das bringt nichts.«
»Ich finde, das klang prima.«
Positive Bestärkung war an sich etwas Schönes, aber jetzt gerade half sie uns nicht weiter. So sanft und doch so hart wie möglich griff ich nach Bettys Arm und zog sie näher an mich heran. »Nein, das war nicht prima«, flüsterte ich. »Jetzt holt er seine Gendarmerie-Freunde, und wenn die hier sind, nehmen sie den Bus auseinander. Und wenn sie dann dein G-R-A-S finden, sind wir dran.«
»Gras?«, fragte Karol. »Was ist schlimm damit?«
»Ssshhh!«, fuhr ich ihn an.
Bettys Augen weiteten sich, als ihr die möglichen Konsequenzen der Fischbrunch-Affäre klar wurden. Sie bückte sich nach dem Grillgitter, hob es von der Feuerstelle, nahm Karol die Cola-Flasche aus der Hand und schüttete den Inhalt zischend über den glühenden Kohlen aus. »Der Fisch ist durch!«
»Ich will jetzt hier weg. Sofort!« Mit vor der Brust verschränkten Armen und gesenktem Blick kam Lucy aus dem Nichts auf den Bus zugestapft, rempelte unterwegs den französischen Polizisten an, riss die Schiebetür auf und ließ sich auf die Rückbank fallen. Als sich keiner von uns rührte, erhob sie sich schnaufend, streckte ihren Kopf aus der Tür und motzte: »Jetzt sofort!«
Der Polizist starrte sie mit offenem Mund an, fing sich aber schnell wieder und beschimpfte uns auf Französisch.
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