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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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hattest, ich hätte dich verraten, weil ich mit Hannes über eure Trennung geredet habe.«
    »Mir tut es leid, dass ich weggelaufen bin.«
    »Schon okay. Manchmal muss man eben weglaufen.« Im Grunde tat ich selbst ja nichts anderes. Lucy zog die Nase hoch, ich kratzte mich am Bein. Ein Mückenstich. Der erste dieses Urlaubs. »Ich sitz im Moment wirklich zwischen den Stühlen, Lucy. Ich meine … Was soll ich tun? Du und Hannes, ihr seid beide so wichtige Freunde für mich. Ich kann mich unmöglich für einen von euch entscheiden. Und ich weiß zwar nicht genau, was er gemacht hat und warum es dich so verletzt hat, aber ich weiß, dass er dich liebt.«
    Lucy machte »Pff!«, und mir wurde klar, dass das Thema für den Abend gestorben war. Vielleicht für immer. Sie streckte die Beine aus und zupfte ihr T -Shirt mit den kleinen Kätzchen darauf zurecht. Eine der Katzen trug eine Schleife auf dem Kopf.
    »Geht’s wieder?«, fragte ich, und sie nickte. »Gut, da bin ich froh.« So war zumindest für den Moment die Harmonie in der Reisegruppe wiederhergestellt, und ich konnte mich auf andere Dinge konzentrieren. Hunger. »Haben wir eigentlich noch Blutwurst an Bord?«
    Lucy warf mir einen schuldbewussten Blick zu. »Ich hab die Wurst aufgegessen.«
    »Die ganze Wurst?!«
    »Wenn ich traurig bin, muss ich essen, das war schon immer so.« Sie sah an sich herunter und zog die Beine wieder an, wie um ihren Bauch zu verstecken. »Deswegen bin ich auch so fett.«
    »Nein, komm, Lucy … hey, das ist doch nicht schlimm. Mit der Wurst. Und du bist nicht fett, okay? Und ich finde schon was anderes zu essen.« Ich öffnete den Deckel unserer Vorratsbox und wühlte ein bisschen in den leeren Wurstpapieren herum. »Blutwurst lockt eh nur die Mücken an, glaub ich. Vielleicht ein Stück Torte stattdessen?« Allein bei dem Gedanken an noch mehr Torte drehte sich mir der Magen um.
    Insofern war es die helfende Hand des Schicksals, die in diesem Moment die Schiebetür rumpeln ließ und den Blick nach draußen freigab, auf Betty, Karol, Viktor und die Flasche Wodka, die sie mitgebracht hatten.
    »Lucinda? Schätzelein? Ich bringe euch die Polen. Und polnischen Wodka. Karol?«
    »Na zdrowie!«
    »Das war Russisch«, stellte ich trocken fest.
    »Nix da. Polnisch für Prost ist das. Karol wird das ja wohl wissen.« Betty scheuchte die Jungs zu uns in den Bus und schmiss schnell die Tür zu, bevor die Mücken eine weitere Angriffswelle starteten, um unser mobiles Zuhause zu entern. Dann schraubte sie die Flasche auf und hielt sie triumphierend in die Höhe. »Also dann. Nasströffchen! Auf den Urlaub!«
    Zum Glück hatte Sky, aus mir völlig schleierhaften Gründen, Eierbecher an Bord.

9
    Der Teil mit dem guten Grund
    BETTYS MIXTAPE
    Violent Femmes – Gone Daddy Gone
    Als Richard mir vor anderthalb Jahren den Vorschlag machte, zusammenzuziehen, war mein erstes Gefühl die pure Panik. Ich dachte an Flucht, lachte aber nur hysterisch. Es ist schon seltsam, wie ich mich in stundenlangen Tagträumen über Heiratsanträge und gemeinsame Babys ergehen konnte, aber als es um diesen ersten Schritt ging, dass wir uns zusammen ein Zuhause aufbauten, war ich plötzlich starr vor Furcht. Vielleicht war es einfach sicherer, sich die anderen enormen Meilensteine in ihrer ganzen süßen Verklärtheit vorzustellen, wenn die erste Hürde dahin noch gar nicht überwunden war und sie somit vollkommen harmlos und perfekt in der weit entfernten Zukunft existieren konnten. Vielleicht hatte ich Angst, dass ich mich mit Richard nicht auf Wandfarben, Möbel und Bettwäsche würde einigen können. Vielleicht misstraute ich Männern prinzipiell. Und zwar aus gutem Grund. Schließlich hatten die sich bisher früher oder später immer schlecht benommen. Außerdem mochte ich meine Wohnung, die Sicherheit, dass wenigstens sie immer da sein würde, auch wenn die Männer kamen und gingen. Denn das war ein Versprechen, das selbst Richard mir nicht geben konnte: dass er immer da sein würde. Selbst wenn er es jemals gesagt hätte – »Baby, ich werde immer für dich da sein« –, war ich doch inzwischen alt und erfahren genug, kein Wort davon zu glauben. Natürlich, es wäre keine absichtliche Lüge gewesen. Gut möglich, dass er es selbst glaubte. Oder mir einfach nur einen Gefallen tun wollte, indem er solche Dinge sagte. Damit ich mich besser fühlte. Aber ich wusste: Wer einem Mann so einen Satz abnahm und ihn am Ende vielleicht auch noch darauf festnagelte, der gab

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