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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Schusslinie zu sein.
    Ich konnte schlecht abstreiten, dass Betty einen Logikfehler in meiner Argumentation gefunden hatte. Das war offensichtlich. Und trotzdem meinte ich, was ich gesagt hatte, beides, auch wenn es widersprüchlich war. »Ich hab Angst, dass Richard nicht der richtige Mann für mich ist. Und ich suche nach Beweisen, dass er es doch ist. Und wenn ich sie nicht finde, werde ich nervös, aber wenn ich sie finde, dann werde ich auch nervös, weil ich nicht sicher bin, ob ich mir die ganze Sache nicht einfach nur schönrede, weil ich jetzt nun mal mit Richard zusammen bin und es ja auch okay ist. Die meiste Zeit zumindest. Und es kann ja sein, dass Richard der Beste ist, den ich haben kann. Aber vielleicht mach ich mich auch nur selber klein und stürze mich aus reiner Unsicherheit ins Verderben und muss den Rest meines Lebens mit einem Mann zusammen sein, der gar nicht zu mir passt. Wenn man zu verschieden ist, dann lebt man doch irgendwann nur noch nebeneinander her und langweilt sich, in gewisser Weise tun Richard und ich das ja jetzt schon, und irgendwann hasst man sich … Und ich dachte, dass allein die Tatsache, dass ich so was denke, der Beweis dafür ist, dass ich ihn nicht mehr liebe, denn sonst wäre ich mir doch eigentlich sicher. Oder nicht? Oder doch?« Ich warf einen verzweifelten Blick in die Runde.
    Lucy starrte mich mit offenem Mund an.
    Betty schüttelte fassungslos den Kopf. »Deinen Kopf haben zu müssen, das wäre die schlimmste Strafe für mich, die ich mir vorstellen kann. Das ist ja wie Achterbahnfahren.«
    Ich nickte. »Ganz genau. Wie Achterbahnfahren.«
    »Meine Güte, du solltest wirklich mehr kiffen.«
    »Glaub mir, das nützt nichts.« Aber im Ansatz war die Idee ganz gut. Ich streckte mich nach Bettys Tabak aus und begann mit der Herstellung einer Zigarette.
    Lucy räusperte sich. »Ja, aber wie stellst du dir denn den Richtigen vor?«
    »Hm?« Ich war gerade dabei, konzentriert Tabak zu portionieren.
    »Wenn du ihn dir aussuchen könntest oder bestellen oder so, meine ich. Wie würde dann dein Richtiger aussehen??«
    »Hm …« Ich rollte die Blättchenseiten gegeneinander, bis der Tabak gleichmäßig verteilt war. Ich leckte den Klebestreifen an und legte ihn fest um die Zigarette. Ich strich das Endprodukt glatt, griff nach dem Feuerzeug, zündete die Zigarette an und nahm einen Zug. Und selbst nachdem all diese Zeit zum Nachdenken verstrichen war, lautete die Antwort: »Ich weiß es nicht.«
    »Richtig so.« Betty nickte anerkennend. »Diese Traummannidee ist was für kleine Mädchen mit Romantikpostern an den Wänden.« Lucy schnappte empört nach Luft. Aber Betty war gnadenlos. »Im Ernst, Lucinda. Überleg doch mal. Hast du dir irgendwann im Leben schon mal etwas wirklich, wirklich richtig doll gewünscht?«
    Lucy überlegte und sagte schließlich: »Klingt vielleicht doof, aber am meisten wollte ich wohl immer ein Pony. Als ich klein war, natürlich.«
    »Siehst du. Und ich wollte immer riesige Brüste. Schau mich an!« Betty zeigte auf ihren Oberkörper. »Ich hab keine riesigen Brüste. Schau dich an!« Sie zeigte auf Lucy, »Du hast kein Pony.«
    »Aber …«, begann Lucy.
    »Kein Aber. Was lernen wir daraus? Ganz einfach: Pass auf, was du dir wünschst. Denn wenn du es dir erst mal gewünscht hast, wirst du es nie bekommen.« Eine Gesprächspause entstand, in der Betty uns herausfordernd ansah, ich nachdenklich an meiner Zigarette zog und Lucy anscheinend panisch darüber nachdachte, was sie sich in letzter Zeit alles gewünscht hatte und jetzt niemals bekommen würde. Das tat mir leid.
    »Das ist Unsinn, Lucy. Mach dir keine Sorgen.« Und um zu beweisen, dass Betty mir keine Angst hatte machen können, ließ ich mich jetzt doch auf diese Wunschlistensache ein. »Also, es gibt ja schon so Eigenschaften, die ich mir bei einem Mann wünsche. Humor, zum Beispiel …«
    »Richard«, sagte Betty.
    »… und eine gewisse Lockerheit …«
    »Richard«, sagte Betty.
    »… dass er Spaß am Leben hat und keine Angst davor …«
    »Ri…«
    »Ja, ich weiß!« Das war ja das Debakel. »Und er liebt mich, das weiß ich auch, das ist eigentlich das Allergrößte. Und trotzdem schau ich ihn mir an und frage mich, ob er auch noch in fünf Jahren der Mann für mich ist. Oder in zehn. Oder wenn ich siebzig bin. Wenn er mir jetzt schon regelmäßig auf die Nerven geht …«
    Betty stöhnte entnervt auf. »Ja, aber Schätzelein … Das weiß doch niemand, was die Zukunft bringt.

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