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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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andersrum der Fall.
    Ich musste also deutlicher werden. »Nein, Sky, wir genießen den Urlaub nicht.«
    »Nicht? Dann muss das an dir liegen, Daphne. Ich hab doch gesagt: Lass die Vierzigjährige mal zu Hause. Mach dich locker. Leb geschmeidig …«
    »Ich hab’s wirklich versucht, aber …«
    »Ganz, ganz sicher?«
    »Ganz, ganz sicher. Es ist nur leider etwas dazwischengekommen … Sky, wenn ich jetzt das Wort Kühlwassertankthermometer sage, fällt dir dazu etwas ein?«
    Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Allerdings. Das ist verrutscht. Muss man drauf achten. Also, lieber immer ein bisschen früher Wasser nachfüllen, als das angezeigt wird. Gut, dass du es ansprichst.«
    Ich saß auf einem umgedrehten Eimer im schmalen Schatten der Werkstattmauer und schlug mir wiederholt mit der flachen Hand gegen die Stirn. Damit kompensierte ich, dass ich nicht tun konnte, wonach mir eigentlich der Sinn stand: nämlich Sky wiederholt mit der geballten Faust auf die Nase zu boxen. Irgendwie schaffte ich es, so ruhig wie möglich, zu fragen: »Warum hast du uns das nicht vorher gesagt?«
    »Vor was?«
    »Bevor wir abgefahren sind?« Ich versuchte, die Wut herunterzuschlucken. Aber sie suchte sich ihren Weg, und schließlich sprang ich von meinem Eimer auf und schrie ins Telefon: » Bevor wir mit deinem kaputten Bus einmal quer durch Europa gefahren und auf einer Landstraße in Portugal liegen geblieben sind? Bevor uns diese Schrottkiste fast um die Ohren geflogen wäre und ein Schaden entstanden ist, für dessen Reparatur wir jetzt Tausende von Euro zahlen müssen, die wir nicht haben?!«
    »Oh, ihr seid in Portugal? Klasse!«
    Ich starrte das Handy in meiner Hand einige Sekunden ungläubig und noch immer wutschnaubend an, schüttelte fassungslos den Kopf und platzierte es wieder an meinem Ohr. »Sky!?«
    »Wieso, ist doch cool«, sagte er, entspannt und vergnügt, als hätte ich lediglich seinen Regenschirm verlegt. »Macht euch ein paar schöne Tage in Portugal … Wo genau seid ihr denn da?«
    »Lagos«, antwortete ich tonlos.
    »Hm, na ja. Ein bisschen touristisch, aber ganz nett. Kann man auch seinen Spaß haben.«
    »Kannst du mir bitte mal erklären, wie wir hier Spaß haben sollen, wenn wir am Rande des Ruins stehen, weil du vergessen hast, uns mitzuteilen, dass dein Bus kaputt ist?«
    Am anderen Ende der Leitung zog Sky an einer Zigarette oder, wahrscheinlicher, einem Joint, atmete langsam aus und sagte mit gepresster Stimme, als würde er ein Husten unterdrücken: »Meine Güte, wie kann man nur so scheiße drauf sein, wenn man quasi mit einem Fuß im Atlantik steht?«
    Ich wollte ja nicht nerven, aber ich hatte das Gefühl, Sky hatte mich noch immer nicht verstanden. »Weil wir hier ein echtes Problem haben.«
    »Ist doch ganz einfach. Ich schick dir das Geld, und dann lässt du den Bus reparieren. Gehört ja schließlich mir, das Ding.«
    Ganz einfach also. Ich war ein bisschen perplex, weil die ganze Situation in Skys Welt, der Welt des reichen Erben eines Schwammimperiums, gar keine Katastrophe war, nicht einmal eine Bodenwelle, einfach nur ein veränderter Umstand. Aber auch, wenn das Problem mit den Reparaturkosten jetzt aus der Welt war, gab es noch ein zweites. »Es dauert mindestens sechs Tage, den Bus zu reparieren, Sky. Und vielleicht braucht er einen neuen Motor, dann muss er nach Deutschland abtransportiert werden. Ich muss in zehn Tagen zu Hause sein, das klappt nie …«
    Sky seufzte. »Wenn das alles zu lang dauert, ruf mich an, dann kauf ich dir ein Flugticket nach Hamburg. War’s das, Daphne? Sonst noch was? Oder willst du dir jetzt endlich diesen Stock aus dem Arsch ziehen und einfach wieder Urlaub machen?«

16
    Der Teil mit den alten Bekannten
    DAPHNES MIXTAPE
    Gene – Haunted By You
    Das historische Zentrum von Lagos bestand aus niedlichen, dreistöckigen Häuschen mit pastellfarbenen Fassaden. Es gab Palmen, es gab Bars, Restaurants und Eiscafés, und es gab Geschäfte, die Flip-Flops, Schnorchel und Souvenirs verkauften. Wovon es aber am allermeisten zu geben schien, waren Touristen. Sie trugen Shorts, Tank-Tops, Sandalen und Baseballcaps. Das war ihre geschlechterübergreifende Uniform. Sie waren überall, auf jeder Bank, in jedem Laden, an jeder Ecke – wohin man sah. Als würden sie auf einer Farm irgendwo in der Gegend gezüchtet werden.
    Lucy fühlte sich auf einen Schlag wie zu Hause. Auf ihrem runden Gesicht machte sich ein Lächeln breit, und sie setzte ihr eigenes

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