Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
notwendigsten Lebensmittel gereicht. Eleanora oder ihre Halbschwester Dalvina brauchte sie gar nicht erst um Hilfe zu bitten. Die beiden würden sich niemals von ihren Juwelen trennen.
Valandras Finger schlossen sich um das goldene Amulett, das sie um den Hals trug. Sie hatte sich von allem getrennt, nur von diesem Stück nicht. Ihre Mutter hatte es ihr auf dem Sterbebett geschenkt. Es sollte ihr Glück bringen, und sie sollte es erst weiterschenken, wenn jemand in ihr Leben träte, den sie wirklich liebte. Dieses Amulett würde ihn vor allen Gefahren beschützen.
Valandra schluckte schwer. Sie vermisste ihre Mutter schmerzlich.
„Das hat mir gerade noch gefehlt“, flüsterte sie ärgerlich und schimpfte sich eine Närrin. Für Selbstmitleid war nun wirklich keine Zeit.
Entschlossen strich sie ihr schlichtes Wollkleid glatt und stieg in die große Halle hinunter.
Schon sah sie sich neuem Ärger gegenüber, diesmal in Form ihrer jüngeren Halbschwester. Valandra unterdrückte ein unwilliges Stöhnen, als sie sah, wie Dalvina aufgebracht vor dem riesigen Kamin auf und ab schritt. Als sie Valandra erblickte, funkelten ihre kobaltblauen Augen feindselig. „Mama musste sich ins Bett legen – und es ist allein deine Schuld!“ „Das war nicht meine Absicht“, erklärte Valandra ehrlich. Dennoch fühlte sie keine nennenswerten Gewissensbisse. Eleanora täuschte wegen jeder Kleinigkeit Kopfschmerzen vor, sei es aus Protest oder einfach nur, um auf diese Weise ihren Willen durchzusetzen.
„Erwarte bitte nicht, dass ich dir das glaube“, hielt Dalvina aufgebracht dagegen. „Du legst es doch geradezu darauf an, Mama zu demütigen.“ Valandra ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Das ist nicht wahr, Dalvina. Ich handle lediglich so, wie ich es für Walkmoor Castle als richtig erachte. Nach allem, was dieser McGregor deiner Mutter angetan hat…“
„Sie ist auch deine Mutter“, unterbrach Dalvina sie heftig. „Stief mutter.“
„Nur weil du uns nicht leiden kannst, hast du McGregor fortgeschickt“, rief Dalvina anklagend. „Du missgönnst Mama die Aufmerksamkeit dieses ehrenwerten Lords. Du bist doch nur neidisch, weil er dich keines zweiten Blickes würdigt.“ Ihre Augen glitten verächtlich über Valandras schlichtes Kleid. „Wen wundert es? Du siehst aus wie eine gewöhnliche Bäuerin.“
Valandra zuckte innerlich zusammen, dennoch erwiderte sie sachlich: „Nein, Dalvina, ich sehe wie eine Burgherrin aus, die ihre Kleider und ihren Schmuck verkaufen musste, um die hungrigen Mäuler auf Walkmoor zu stopfen.“
Für den Bruchteil einer Sekunde huschte Unsicherheit über die zarten, ebenmäßigen Gesichtszüge ihrer jungen Halbschwester, doch sie fing sich rasch wieder. „Lügnerin! Unsere Familie ist über die Maßen reich. Mama sagt, wir können uns jeden Luxus leisten.“
Das war vor den Kreuzzügen so gewesen , dachte Valandra wehmütig.
„Die Zeiten haben sich leider geändert.“
„Du brauchst gar nicht so von oben herab mit mir zu sprechen! Ich bin nicht dumm! Glaubst du, ich weiß nicht, was du vorhast? Du weigerst dich, Mama und mir Geld für neue Kleider zu geben, weil du das Gold für deine eigene Aussteuer beiseite legst.“
Valandra konnte Dalvina nur ungläubig anstarren. „Woher, um alles in der Welt, nimmst du nur diesen Unsinn? Ich habe nicht vor...“
Davina reckte hochmütig ihr eigenwilliges Kinn. „Du brauchst es gar nicht zu leugnen. Aber damit nicht genug, du willst Mama und mich in Lumpen hüllen, damit wir keine Chance auf eine standesgemäße Heirat haben. Welcher Mann will schon eine Braut, die ihn in abgetragenen Kleidern vor dem Altar erwartet?“ Ihre Augen blitzten hasserfüllt. „Aber das werden wir nicht zulassen! Nur weil du eifersüchtig auf unsere Schönheit bist, willst du unserem Glück im Wege stehen. Ich hasse dich! Oh, wie sehr ich dich verabscheue!“
Mit diesen vernichtenden Worten stürmte sie weinend die Stufen zu ihren Gemächern hinauf.
Valandra schloss gequält die Augen. Sie machte ihrer Halbschwester keinen Vorwurf, denn Eleanora hatte nur zu deutlich aus diesen Anschuldigungen gesprochen. Aber es tat ihr im Herzen weh, wenn Dalvina ihr all den Hass mitten ins Gesicht schleuderte. Sie selbst brachte ihrer jüngeren Halbschwester nur Liebe entgegen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, dass Davina und sie als Kinder unzertrennlich gewesen waren. Das kleine Mädchen war ihr überallhin gefolgt und nachts oft zu ihr ins Bett gekrabbelt,
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