Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
bemüht ruhig stand. „Wie gesagt, ich hatte zu tun.“
„Diese Entschuldigung werde ich nicht annehmen.“
„Gut, denn meine Worte waren auch nicht als solche gedacht.“
„Es ist Eure Pflicht, Euren Untertanen mit gutem Beispiel voranzugehen und die Messe zu besuchen. Dasselbe gilt auch für die Beichte. Ihr wart seit Monaten nicht mehr bei mir, um von Euren Sünden befreit zu werden.“
Valandra dachte gar nicht daran, diesem Kerl ihre Sünden zu beichten. Diesen Fehler hatte sie nur ein einziges Mal begangen. Leider hatte sie danach feststellen müssen, dass Pater Ignatius eine gänzlich andere Vorstellung vom Beichtgeheimnis hegte als sie. In der folgenden Sonntagsmesse hatte er sämtliche von ihr gebeichteten Sünden von der Kanzel heruntergeschrien und ihr vor den Augen aller Versammelten die ewigen Höllenfeuer angedroht. Valandra wäre am liebsten vor Scham gestorben.
„Ihr habt mein Vertrauen einmal missbraucht, ein zweites Mal werdet Ihr keine Gelegenheit dazu bekommen. Wie Ihr wisst, ziehe ich seither das Gespräch mit Wandermönchen vor.“
„Vorsicht, Euer Hochmut grenzt an Blasphemie“, zischte der Pater mit vor Verschlagenheit funkelnden Augen. „Aber auch Ihr werdet Eurer gerechten Strafe nicht entgehen. Der Tag wird kommen, an dem Ihr für Euer undamenhaftes Benehmen bestraft werdet.“
Valandra hob stolz den Kopf. „Ich weiß, Ihr könnt diesen Zeitpunkt kaum erwarten. Eure christliche Nächstenliebe kennt wahrlich keine Grenzen. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigt? Ich habe zu tun.“
Mit diesen Worten schlüpfte sie an seiner massigen Gestalt vorbei und stieg die steilen, eng gewundenen Turmstufen hinunter.
„Ihr solltet Euch bei meiner armen Schwester umgehend entschuldigen. Euer Verhalten ihr gegenüber war ungeheuerlich“, rief er ihr zornig nach.
Valandra gönnte ihm keine Antwort, sondern stieg langsam die Stufen hinunter. Mit jedem Schritt fühlte sie sich erschöpfter. Sie war diese Sticheleien und Bosheiten so unendlich müde.
Ihre Brust fühlte sich an wie von Stahlbändern zugeschnürt, und plötzlich glaubte sie, keinen Schritt mehr tun zu können. Hier, auf den schwach beleuchteten, abgetretenen Stufen der Turmtreppe, war sie endlich allein und durfte sich so geben, wie sie in Wirklichkeit war. Einsam, ängstlich und unendlich erschöpft.
Sie ließ sich auf die Stufen nieder und lehnte sich mit geschlossenen Augen an die kalte Steinmauer. Die Berührung fühlte sich beinahe tröstlich an ihrem Rücken an. Sie wünschte sich sehnlichst, dass dieser schreckliche Tag endlich ein Ende finden möge. Ihre Glieder schmerzten vor Müdigkeit. Seit bald einer Woche war es ihr nicht mehr vergönnt gewesen, mehr als drei, vier Stunden des Nachts zu schlafen.
Sie rieb sich die Augen. Auch heute war sie bereits lange vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen. Zuerst hatte sie einen Streit zwischen zwei wütenden Pächtern schlichten müssen, dann war Gweneth, die Köchin, mit wild fuchtelnden Armen in den Saal gestürmt und hatte ihr aufgebracht erklärt, dass sie Mäuse im Vorratskeller entdeckt habe.
Valandra war vor Schreck beinahe das Herz stehen geblieben. Ihre Lage war schon prekär genug. Sie besaßen kaum noch Getreide, um eine anständige Mahlzeit auf den Tisch zu bekommen. Eine Mäuseplage wäre ihr Ende gewesen. Glücklicherweise hatte es sich nur um eine einzige Maus gehandelt. Doch wie um diesem grässlichen Tag noch die Krone aufzusetzen, war schließlich McGregor aufgetaucht.
Valandra massierte sich die Schläfen. Eleanoras Wutgeschrei hallte ihr noch immer in den Ohren. Sie hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, dass sie den Kerl davonjagen würde, und das Verhalten ihrer Stiefmutter hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie liebend gern von diesem Mistkerl entführt worden wäre.
Valandra ballte die zarten Hände zu Fäusten. Niemals würde sie zulassen, dass Eleanora Schande über ihren Vater brachte. Das würde sie zu verhindern wissen!
Aber wie lange würde sie hier noch die Stellung halten können? Obwohl die Männer ihr ebenso treu ergeben waren wie ihrem Vater, spürte sie doch ihre Unruhe. Sie brauchten einen Anführer, und obwohl Valandra sich die größte Mühe gab, konnte sie doch nicht die Stelle ihres Vaters einnehmen. Dazu kamen auch noch die Geldsorgen. Die Goldtruhen waren leer. Sie konnte es sich nicht einmal mehr leisten, weitere Krieger anzuwerben. Sie hatte bereits all ihren Schmuck verkauft, doch es hatte kaum für die
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