Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
Situation“, gab Ranulf zu bedenken. „Sie ist ein überaus stures und herrschsüchtiges Frauenzimmer.“ Plötzlich fiel ihm wieder ihre kleine Lüge ein. Sie hatte es nicht über sich gebracht, schlecht von ihrer Stiefmutter und der Stiefschwester zu reden - eine Rücksichtnahme, die die beiden seiner Meinung nach nicht verdienten.
„Wie dem auch sei. Die zerrütteten Familienverhältnisse gehen uns nichts an“, erklärte er unwirsch. „Viel mehr interessiert mich dieser McGregor. Was konntest du über ihn herausfinden?“
„Mehr als mir lieb ist. Kurz vor unserer Ankunft hat er erneut versucht, in die Burg einzudringen. Wir haben es nur Lady Valandras kleiner List mit den Strohpuppen zu verdanken, dass es zu keinem ernsthaften Angriff gekommen ist. Was diesen McGregor betrifft: Er gehört zu einem der ältesten Clans in Schottland. Die McGregors sind seit jeher für ihre Hinterhältigkeit und Machtgier bekannt. Ihr Ahnensitz liegt gleich dort hinter dem Wald.“ Er deutete in westliche Richtung.
„McGregor scheint tatsächlich nicht sonderlich klug zu sein, doch diesen Mangel gleicht er offenbar durch eine geradezu widernatürliche Grausamkeit aus. Wie ich hörte, genügt es ihm nicht, seine Gegner zu foltern, sondern er will ihren Geist brechen.“
Ranulf nickte. „Der Kerl könnte es bei den de la Chacres weit bringen.“
Als die beiden eine Weile später die große Halle betraten, lag diese in tiefem, friedlichem Schlaf. Die Dienstboten hatten sich zurückgezogen, und nur das leise Winseln eines träumenden Hundes war zu hören. Die wenigen Fackeln in den Wandhalterungen tauchten den Raum in ein sanftes Licht aus tanzenden Schatten. Ranulf wollte sich gerade in seine Räume begeben, als sein Blick auf eine zusammengesunkene Gestalt ganz hinten in der Halle fiel.
Valandra.
Sie saß an einem kleinen Tisch vor dem Kamin und rührte sich nicht. Ihr Kopf ruhte auf ihren verschränkten Armen.
Sie musste über den Haushaltsbüchern eingeschlafen sein, denn ihre zarten Finger umklammerten noch immer die Schreibfeder.
„Ein entzückendes Bild, und doch blutet mir das Herz bei diesem Anblick“, flüsterte Kasim, als er neben Valandra trat. Er strich ihr sachte eine schwere, dunkelbraune Locke aus dem Gesicht. „Allah schenke dir angenehme Träume, kleine Blume.“
Als er Ranulf anblickte, verschwand die Weichheit aus seinen Zügen, und ein leiser Vorwurf lag in seinen Augen. „Keine Frau sollte arbeiten, bis die Erschöpfung sie davonträgt. Allah hat uns ihre Körper und ihre Schönheit zum Geschenk gemacht, und es liegt in unserer Pflicht, diese Kostbarkeiten zu schützen und zu bewahren. Lady Valandra liegt nun in deiner Verantwortung, mein Freund. Also sorge für sie!“
„Ich bin kein verdammtes Kindermädchen“, gab Ranulf knurrend zurück. Was konnte er dafür, wenn sie sich nicht genügend Schlaf gönnte? Er beobachtete, wie Kasim eine ihrer Locken zwischen die Finger nahm und sie beschnupperte. „Unsere kleine Blume riecht nach Rosen.“
Das wusste er! Vollkommen unerwartet fühlte Ranulf sich durch die Intimität dieser Geste beleidigt. Es störte ihn entschieden, dass Kasim sich solche Freiheiten bei Valandra herausnahm.
„Nimm deine Finger von ihr und such jemanden, der sie in ihr Bett bringt!“ Kasim sah sich unschlüssig im verlassenen Raum um.
„Ich fürchte, das werden wir selbst übernehmen müssen. Die Dienstboten haben sich bereits schlafen gelegt.“
Mit einem unterdrückten Fluch beugte Ranulf sich über sie und löste behutsam ihre Finger von der Feder. Nichts als Ärger hat man mit diesem Weibsbild. Zarter Rosenduft stieg ihm in die Nase und ließ ihn zögern, während die leise Stimme in seinem Kopf ihn davor warnte, sie zu berühren. Nach den Geschehnissen dieses Abends war Abstandhalten die sicherste Strategie.
„Trag du sie hinauf!“
Sein Zögern war Kasims wachsamen Augen nicht entgangen, doch der Syrer schüttelte entschieden den Kopf. „Nein! Ich nehme die Bücher. Tragen wirst du sie müssen. Schließlich bin ich ein Mann des Geistes und kein Mann der Muskeln.“
Ranulf bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. „Seit wann?“
Kasim zuckte unschuldig mit den Schultern. „Du bist unleugbar stärker als ich. Weshalb soll ich mich abmühen, während du ihr Gewicht kaum bemerken wirst?“
„Deine Ausreden waren schon besser“, brummte Ranulf, ehe er Valandra widerwillig, doch behutsam hochhob und mit ihr die steile Treppe hinaufstieg. Kasim
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