Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
folgte ihm dicht auf den Fersen und verbarg sein zufriedenes Grinsen. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen. Er kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass dieser nichts gegen seinen Willen tat. Wenn es ihm tatsächlich zuwider gewesen wäre, das Mädchen zu tragen, hätte er es kaltschnäuzig auf dem unbequemen Lager zurückgelassen.
Während Ranulf die Stufen emporstieg, blickte er prüfend auf seine kleine schlafende Last hinunter. Wie friedlich und sanft sie wirkte, wenn sie nicht gerade Befehle erteilte oder ihm die Stirn bot.
Plötzlich fühlte er sich durch ihre Nähe verunsichert. Sie erschien ihm so zerbrechlich, dass er fürchtete, ihr die Knochen zu brechen, wenn er nicht äußerst vorsichtig mit ihr umginge. Unglücklicherweise kam noch ein weiterer Grund für sein Unbehagen hinzu. Kasim hatte sich schwer geirrt. Er bemerkte ihr Gewicht sehr wohl. Warm, verführerisch und unendlich einladend fühlte sie sich in seinen Armen an, und zu seinem unermesslichen Ärger reagierte sein verräterischer Körper erneut auf sie.
Ich brauche dringend eine Bettgefährtin , schoss es ihm unvermittelt durch den Kopf. Seit er dem De-la-Chacre-Orden abgeschworen hatte, hielt er nichts mehr vom Zölibat. Er war ein überaus leidenschaftlicher Mann, der es genoss, seiner Lust zu frönen, und dank seines mächtigen Körpers mangelte es ihm auch nie an willigen Frauen. Trotzdem lag sein letztes Schäferstündchen nun schon zwei Tage zurück, und seine Lenden sehnten sich offensichtlich nach weiblicher Gesellschaft. Nur gefiel ihm die Wahl der Frau diesmal nicht.
Valandra seufzte genüsslich in tiefem Schlaf. Sie war von einer angenehmen Wärme umgeben und fühlte sich herrlich geborgen und entspannt. „Papa...“, hauchte sie liebevoll lächelnd und schmiegte ihr Gesicht an Ranulfs Halsbeuge.
„Sie scheint ihren Vater sehr zu vermissen“, flüsterte Kasim mitfühlend. Ranulf gab lediglich ein leises Knurren von sich.
Kasim folgte einem spärlich beleuchteten Gang und blieb vor der hintersten Tür stehen. Auf Ranulfs fragenden Blick zuckte er grinsend die Schultern. „In meiner grenzenlosen Weitsicht habe ich mich natürlich kundig gemacht, wer wo schläft. Man kann ja nie wissen...“
Ranulfs Arme schlossen sich instinktiv fester um Valandras Körper, als er sie in ihr Gemach trug. „Du bist gewarnt, Kasim! Vergiss das nicht!“
Das Lächeln des Syrers vertiefte sich. „Das könntest du den armen Frauen dieser Welt doch nicht antun. Schließlich bin ich ein Meister im Spenden der Lust und...“
„Es reicht “, unterbrach Ranulf ihn ungeduldig. „Mach dich nützlich und weck die Zofe!“
Kasim gehorchte und verschwand im Nebenraum, nur um gleich wieder aufzutauchen. Seine Stirn war nachdenklich gefurcht. „Gibt es in diesem Land männliche Zofen?“
„Natürlich nicht! Was soll der Schwachsinn?“
Kasim zuckte unschlüssig mit den Schultern und blieb im Türrahmen stehen.
„Lady Valandra scheint sich gern über gängige Konventionen hinwegzusetzen. Ich glaube, diese Zofe weckst du besser selbst.“
Ranulfs Kiefer spannte sich sichtbar. Weshalb konnte sich dieser Kerl nie verständlich ausdrücken? Er hasste Rätselraten, und vor allem hasste er es, wenn seine Anweisungen missachtet wurden.
Vorwurfsvoll blickte er auf Valandra hinunter. Unsinnigerweise verübelte er es ihr, dass sie so friedlich in seinen Armen schlief. Sie gehörte nicht dorthin! Er wollte sie nicht bei sich haben. Wenn sie auch nur einen Funken Anstand besäße, würde sie zumindest unter Alpträumen leiden. Stattdessen schlief sie seelenruhig wie ein neugeborenes Kätzchen. Sanft legte er sie auf den Boden. Plötzlich waren die starken Arme und mit ihnen das Gefühl der Geborgenheit verschwunden. Einsamkeit – tief greifend und schmerzhaft. Im Schlaf streckte Valandra die Hand nach Ranulf aus. „Bitte bleib. ... ich habe keine Kraft mehr... um stark zu sein.“
Ranulf starrte sie reglos an. Er hatte sich für so abgebrüht gehalten, dass ihn nichts mehr erschüttern konnte, doch ihre geflüsterten Worte trafen ihn bis ins Mark.
Sein Blick fiel auf die feingliedrigen Finger, die sich ihm Hilfe suchend entgegenreckten. Es war, als fühlte er ihre Not, ihre hilflose Sehnsucht nach Halt – und mit einem Mal verspürte er ein dumpfes Ziehen in der Brust. Ihre Verletzlichkeit berührte ihn. Vielleicht war sie doch nicht so kämpferisch, wie sie sich ihm gegenüber gebärdete.
Ranulf sank langsam auf ein Knie und umfasste ihre
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