Im Zwiespalt der Gefuehle
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»Überhaupt nichts! Gut — ich wollte nie König werden, aber weil es nun einmal mein Geburtsrecht ist, habe ich mein Leben darauf abgestimmt. Ich werde auch eine Lankonierin heiraten — das habe ich mir fest vorgenommen —, aber ich werde niemals ein waffenstarrendes Mannweib ehelichen! Es gibt nämlich Opfer, die ein Mann nicht brin gen kann — auch nicht für sein Land! Ich will eine Frau heiraten, die ich lieben kann! «
»Ich glaube, die Lankonier würden Liebe als Anzeichen von Schwäche werten… Sie heiraten zwar, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sich verlieben! Denk doch nur einmal, Xante mit seinem vernarbten Gesicht würde um eine Frau werben! Wie würde er wohl aussehen mit Blumen und Laute?! Na? «
Rowan schwieg verbissen. Er dachte an all die entzückenden Frauen in England, die er hätte heiraten können. Niemand, nicht einmal Lora, hatte eine Ahnung von den psychischen und körperlichen Torturen, die Feilan angewandt hatte, um die englische Hälfte — wie er es nannte — auszumerzen. Immer wenn Rowan an sich selbst und seinen Zielen gezweifelt hatte, war der alte Mann sofort darangegangen, diesen Zweifel zu beseitigen. Doch nach der jahrelangen Ausbildung durch Feilan war Rowan ein Mann geworden, den der Tod nicht schreckte und der verschlossen war wie eine Auster. Niemals würde er jemandem preisgeben, welche Gefühle ihn gerade bewegten.
Doch all die Jahre hindurch hatte er einen Traum gehegt und gepflegt: Eines Tages würde er sein Leben mit einer sanften, lieben Frau teilen, der er absolut vertrauen konnte…
Jedes Jahr hatte Feilan einen Brief an Thal geschrieben, in dem er stets Rowans Fehler gnadenlos aufzählte. Immer wieder hatte er beklagt, daß der Junge zu weich wäre, mehr Engländer als Lankonier, und zuviel Zeit bei seiner lieblichen Schwester verbringen würde.
Schweigend hatte Rowan sich stets bemüht, Feilan zu widerlegen. Er hatte eifrig den ganzen Tag geübt und alle Torturen, die sich der alte Mann ausdenken konnte, ertragen. Doch er hatte sich auch der Musik gewidmet und gelernt, Laute zu spielen und Lieder zu singen. Vielleicht würde er wirklich nie ein vollwertiger Lankonier werden, denn er träumte von einer Häuslichkeit, die dem Leben ähnelte, das er zusammen mit Lora geführt hatte. Denn, als sie älter geworden waren, hatten sie sich stets eng aneinandergeklammert. Gemeinsam wehrten sie sich gegen die Attacken der dummen, grausamen Kusins. Gewöhnlich hatte Rowan Lora getröstet, indem er ihr etwas über Lankonien erzählte.
Später, als er kräftiger wurde, hatte er sie auch beschützt. Rowan mochte Loras sanfte Art. Wenn er nach einem Tag auf dem Übungsplatz vollkommen erschöpft gewesen war, dann hatte er seinen wunden Körper zu Loras Füßen gebettet. Sie hatte ihm dann sanft übers Haar gestrichen und ihm etwas auf der Laute vorgespielt. Das einzige Mal, als Rowan seine Gefühle offen gezeigt hatte, war, als Lora sagte, sie würde heiraten und ihn verlassen. Er hatte sich in den zwei Jahren, die sie fern von ihm lebte, sehr einsam gefühlt. Aber dann war sie ja mit Philip zurückgekehrt. Manchmal, wenn Rowan ein Wunschbild seiner zukünftigen Frau entwarf, dann nahm sie Loras Züge an: sanft, süß und mit dem typisch weiblichen Zorn über Kleinigkeiten… Er wollte keine lankonische Walküre zur Frau!
»Ein König hat schließlich auch ein paar Vorrechte, und eines davon ist, daß er sich die Frau, die er zu heirate wünscht, selbst aussucht«, sagte Rowan fest.
Lora runzelte die Stirn. »Das stimmt nicht ganz, Rowan. Könige heiraten oft aus politischen Gründen. Zum Beispiel, um ein Bündnis mit einem anderen Land zu festigen. «
Er erhob sich wortlos, zog sich an und machte so Lora klar, daß die Diskussion für ihn beendet war. »Wenn es sein muß, dann werde ich eben ein Bündnis mit England schließen. Warbrooke würde mir sicher gern eine seiner Töchter zur Frau geben. Aber ich werde nie eine Amazone in Rüstung heiraten! Komm jetzt, ich habe Hunger. «
Lora wünschte, sie hätte das Thema nie angeschnitten. Sie kannte ihren Bruder ziemlich gut, aber manchmal war er ihr so fremd… Sie ergriff seinen Arm. »Würdest du mir wohl die lankonische Sprache beibringen? « Sie hoffte, mit dieser Bitte seine Gedanken abzulenken und ihn wieder in gute Laune zu versetzen.
»Es gibt drei lankonische Dialekte. Welchen möchtest du denn lernen? «
»Xantes! « antwortete sie, ohne lange zu überlegen. Dann wurde sie rot und
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