Im Zwiespalt der Gefuehle
stammelte: »I-ich… m-meinte natürlich die Sprache der Irial… «
Rowans Gesicht überzog wieder dieses wissende Grinsen, aber erleichtert bemerkte sie, daß er wenigstens nicht mehr böse war.
Sie hatten gerade das Lager erreicht, als Xante ihnen auch schon entgegenkam. Er war fast zwei Meter groß, mit breiten Schultern und einem straffen Körper. Sein schwarzes Haar hing in Locken über seine Schultern und umrahmte ein männliches Gesicht mit dunkel glühenden Augen, schweren Brauen und langem Schnurrbart. Die wulstige Narbe auf seiner Stirn verstärkte den finsteren Ausdruck seines Gesichts.
»Besuch wird bald ankommen. Wir haben Euch überall gesucht«, sagte Xante barsch.
Lora wollte Xante ermahnen, höflicher mit seinem zukünftigen König zu sprechen, doch Rowan drückte warnend ihre Hand, also schwieg sie.
Rowan sagte nicht, wo er gewesen war, obwohl ihm Xante befohlen hatte, sich nie außer Sichtweite der lankonischen Wachen aufzuhalten. »Wer ist es denn? « fragte Rowan. Er war zwar etwas kleiner als Xante, aber weitaus muskulöser als der ältere Mann.
»Thal hat uns Cilean und Daire mit hundert Mann Begleitung entgegengesandt. «
»Cilean? « schaltete sich Lora interessiert ein. »Ist das nicht die Frau, die Rowan heiraten soll? «
Xante maß sie mit einem scharfen Blick, der besagte, sie solle sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
Lora blieb ihm nichts schuldig und funkelte wütend zurück.
»Sollten wir ihnen nicht entgegenreiten? « fragte Rowan mit leichtem Stirnrunzeln.
Sein Pferd war bereits gesattelt. Er saß auf. Wie immer scharten sich fünfzig Lankonier um ihn, als wäre er ein hilfloses Kind, das ständigen Schutz braucht. Sie ritten nach Nordwesten, auf die Berge zu, und im Schein der untergehenden Sonne konnte Rowan bald die herannahenden Truppen ausmachen. Während sie aufeinander zuritten, versuchte er, sich selbst zu beschwichtigen. Denn er würde einer Frau begegnen, die ebenso der Ritterschaft angehörte wie er.
Er sah sie schon von weitem. Niemand hätte diese wundervolle Frau mit einem Mann verwechseln können! Ihre herrliche Erscheinung überraschte ihn so sehr, daß ihm die Erleichterung fast den Atem nahm.
Ungeachtet der schrillen Proteste seiner Wachen trieb er sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Er wollte diesem Geschöpf schnell näher kommen, um zu sehen, ob es kein Trugbild war. Doch alles an ihr war echt — die schmale Taille, die verheißungsvoll geschwungenen Hüften, die brennenden dunklen Augen und die lockenden roten Lippen.
»Ich heiße Euch willkommen, Mylady«, sagte er, während er sich höfisch verneigte. »Ich heiße Rowan und bin der unbedeutende Erbprinz Eures herrlichen Landes. «
In den Reihen der Lankonier breitete sich lähmendes Schweigen aus. So verhielt sich doch kein richtiger Mann! Erst recht kein Prinz, der einmal König sein wollte! Die Männer um Daire blinzelten bekümmert in die untergehende Sonne, die Rowans blondes Haar zum Leuchten brachte, und wußten, daß all ihre Befürchtungen zu Recht bestanden hatten. Dieser Mann war ein einfältiger, englischer Schwächling.
Nach ein paar Schrecksekunden trieb Cilean ihr Pferd ebenfalls vorwärts und ergriff Rowans ausgestreckte Hand. Sie war grenzenlos enttäuscht. Er war zwar ziemlich hübsch, aber das alberne Grinsen auf seinem Gesicht ließ keine Zweifel aufkommen: Dieser Mann war dumm und bestimmt kein Herrscher!
Rowan hielt Cileans Hand einen Augenblick lang fest. Er bemerkte ihren verachtungsvollen Blick und konnte förmlich spüren, was die Männer über ihn dachten. Ärger wallte in ihm auf. Er wußte nicht genau, ob die Wut ihm selbst galt oder den Lankoniern. Auf jeden Fall schmerzte die lange Narbe auf seinem Rücken, und sein Lächeln verblaßte.
Rowan ließ Cileans Hand wie einen unnützen Gegenstand fallen. Es war eine Sache, vor den Männern als Feigling dazustehen — aber eine ganz andere, den Dummkopf vor diesem wundervollen Geschöpf, das einmal seine Frau werden sollte, zu spielen!
Rowan wendete sein Pferd auf der Hinterhand. »Wir reiten zurück ins Lager«, befahl er kurz, wobei er niemanden direkt anschaute. Er wußte genau, daß seine drei englischen Ritter als erste gehorchen würden.
Plötzlich erscholl ein Warnruf. Sofort schlossen sich die Reihen der Lankonier wachsam um Rowan und seine Ritter.
»Ihr seid verdammt nah am Land der Zernas«, sagte ein junger Mann tadelnd auf Irial. Er hatte ein ernstes Gesicht und ritt
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