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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Augen.
    »So etwas verbitte ich mir«, stieß er hervor.
    »Wie meinen Sie das?« fragte Gentle.
    »Ich habe im Elend gelebt, verdammt«, knurrte Tick Raw.
    »Aber ohne dabei meine Würde zu verlieren! Na schön, ich bin kein großer Maestro. Was ich sehr bedauere! Ich wünschte, Uter Musky wäre noch am Leben, um mir beim Warten Gesellschaft zu leisten. Aber er ist tot, und nur ich bin übrig!
    Gehen Sie, wenn ich Ihnen nicht genüge.«
    Gentle blinzelte verwirrt. Er sah Pie'oh'pah an und erhoffte sich eine Erklärung von ihm, doch der Mystif hatte den Kopf gesenkt und starrte zu Boden.
    »Vielleicht sollten wir tatsächlich gehen«, sagte Zacharias.
    »Ja!« rief Tick Raw. »Verschwinden Sie! Möglicherweise gelingt es Ihnen, Muskys Grab zu finden und ihn ins Leben zurückzurufen. Er ruht irgendwo unter dem Hügel. Mit meinen eigenen Händen habe ich ihn begraben!« Seine Stimme über-schlug sich fast. Nicht nur Wut zitterte darin, auch Kummer.
    »Buddeln Sie ihn aus!«
    Gentle erhob sich. Weitere Fragen oder Bemerkungen von ihm würden nur noch mehr Zorn in Tick Raw wecken oder ihn an den Rand eines Nervenzusammenbruchs treiben. Zacharias wollte sowohl das eine als auch das andere vermeiden, doch als er sich abwandte, hielt ihn der Mystif am Arm fest.
    »Warte«, sagte Pie.
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    »Tick Raw möchte, daß wir gehen«, entgegnete Gentle.
    »Laß mich mit ihm reden.«
    Der Beschwörer warf dem Mystif einen durchdringenden Blick zu.
    »Derzeit liegt mir nichts daran, verführt zu werden«, warnte er.
    Pie'oh'pah schüttelte den Kopf. »Auch ich bin nicht in der richtigen Stimmung«, sagte er und sah Gentle an.
    »Du willst allein mit ihm sprechen?« vergewisserte sich Zacharias.
    »Nur für kurze Zeit.«
    Gentle zuckte mit den Schultern, obgleich es ihm keineswegs gefiel, Pie mit Tick Raw allein zu lassen. Er spürte etwas zwischen ihnen, das auf Verborgenes hindeutete, und bestimmt gab es dabei sexuelle Aspekte, obwohl beide entsprechende Empfindungen leugneten.
    »Ich warte draußen«, sagte Gentle und überließ Mystif und den Beschwörer ihrem Gespräch.
    Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, begannen die beiden miteinander zu reden. In einer nahen Baracke weinte ein Kind, und die Mutter versuchte, es mit einem Schlaflied zu beruhigen - was dazu führte, daß Gentle nur einen Teil des Wortwechsels zwischen Pie und Tick Raw hörte. Der Beschwörer schien noch immer verärgert zu sein.
    »Ist dies eine Art Strafe?« fragte er. Und einige Sekunden später: »Geduld? Verdammt, habe ich nicht schon genug Geduld aufgebracht?«
    Das Schlaflied übertönte die nächsten Sätze, und als Zacharias wieder etwas von dem Gespräch verstehen konnte, ging es dabei um etwas anderes.
    »Ein langer Weg liegt vor uns...«, sagte Pie. »Und es gibt viel zu erfahren...«
    Tick Raws Antwort entging Gentles Aufmerksamkeit; Pie erwiderte: »Er ist hier fremd.«
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    Der Beschwörer murmelte erneut etwas.
    »Nein, ausgeschlossen«, entgegnete Pie'oh'pah. »Ich bin für ihn verantwortlich.«
    Tick Raw hob die Stimme und sprach nun laut genug für Gentles Ohren.
    »Sie vergeuden Ihre Zeit«, sagte er. »Bleiben Sie bei mir.
    Des Nachts vermisse ich einen warmen Körper neben mir.«
    Daraufhin flüsterte Pie nur noch. Zacharias trat etwas näher an die Tür heran und vernahm einige Worte des Mystifs: todunglücklich, wenige Sekunden später Glaube. Der Rest beschränkte sich auf unverständliches Raunen. Nach einer Weile glaubte Gentle, Pie und Tick Raw genug Zeit gegeben zu haben. Er klopfte an und trat ein, woraufhin die Blicke der beiden Gesprächspartner zu ihm wanderten. Täuschte er sich, oder zeigten ihre Gesichter tatsächlich so etwas wie Schuld?
    »Ich möchte jetzt weiter«, sagte er.
    Tick Raws Hand legte sich auf die Schulter des Mystifs und verharrte dort, wie zum Zeichen seines Anspruchs.
    »Wenn Sie nun aufbrechen, kann ich nicht Ihre Sicherheit garantieren«, erwiderte der Beschwörer. »Vielleicht hat es Hammeryock auf Sie abgesehen.«
    »Wir können uns zur Wehr setzen.« Erstaunt lauschte Gentle dem Selbstbewußtsein in seiner Stimme.
    »Vielleicht wäre etwas weniger Eile angebracht«, gab Pie zu bedenken.
    »Wir haben eine Reise begonnen und müssen sie fortsetzen«, beharrte Zacharias.
    »Sie soll selbst entscheiden«, schlug Tick Raw vor.
    »Immerhin ist sie nicht Ihr Eigentum.«
    Diese Bemerkung veränderte Pies Gesichtsausdruck auf eine sonderbare Weise. Die Schuld - wenn sie jemals existiert hatte
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