Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
seine aus der Fünften Domäne stammende Kleidung - Jeans und Hemd -, und darin war er auf den ersten Blick zu erkennen, wenn er nun zu den Stadttoren eilte. Andererseits: Blieb er in Vanaeph, würde man ihn irgendwann zur Strecke bringen.
    Woraus folgte... Die Umstände rieten ihm, jetzt ein Risiko 263

    einzugehen, solange sich überhaupt noch eine Chance bot.
    Selbst wenn er es nicht bis zu den Toren schaffte, bevor ihn die Verfolger einholten - sie wagten es wohl kaum, ihn in Sichtweite der glänzenden Mauern von Patashoqua umzubringen.
    Gentles Beine stampften wie Kolben, und eine knappe Minute später lag die Barackenstadt hinter ihm. Die Verfolger kamen jetzt rasch näher. Es fiel ihm schwer, die Entfernung zu den Toren weiter vorn in einem Licht zu schätzen, das den Boden schillern ließ, aber es waren mindestens zwei Kilometer, vielleicht sogar drei. Er lief weiter, wandte dabei den Kopf und sah zurück. Andere Läufer, frischer und geschmeidiger als er, verkürzten die Distanz zu ihm. Auf der langen, geraden Straße, die von Vanaeph bis zu den Toren reichte, waren viele Reisende unterwegs. Die Fußgänger, wie Pilger gekleidet, bildeten meistens Gruppen. Gentle sah auch Berittene, die bessere Kleidung trugen und deren Pferde mit bunten Mustern bemalt waren. Hier und dort mußte sich jemand mit dem zotteligen Äquivalent eines Maulesels begnügen. Weitaus seltener reiste jemand in einem Kraftfahrzeug. Was die Struktur betraf - auf Rädern montierte Fahrgestelle -, ähnelten die Automobile denen in der Fünften Domäne, aber ihre Form bewies eine Menge Fantasie. Manche waren ebenso elaboriert wie barocke Altarbilder, die Karosserie ziseliert und mit Filigran geschmückt. Bei anderen ragten dünne Räder weit über das Dach hinaus, was den grotesken Eindruck insektenhafter Fragilität erweckte. In einigen Fällen bemerkte Gentle geradezu winzige Räder, mehrere davon hintereinander angeordnet, und Auspuffrohre, aus denen dichte Rauchwolken quollen; jene Vorrichtungen wirkten häßlich und improvisiert, kunterbunte Mischungen aus Glas und Metall, ohne irgendeine Art von Eleganz. Er riskierte, von Hufen zertreten oder überfahren zu werden, als er auf die Straße sprang und zwischen den Autos hindurchlief. Die ersten Verfolger hinter 264

    ihm hatten jetzt ebenfalls die breite Fahrbahn erreicht. Sie kamen nicht mit leeren Händen, wie Zacharias feststellte, und sie unternahmen keinen Versuch, ihre Waffen zu verbergen.
    Bisher war er davon überzeugt gewesen, daß sie ihn nicht in der Gegenwart von Zeugen umbringen würden, doch nun regte sich Zweifel in ihm. Wenn das Gesetz von Vanaeph selbst hier galt, vor den Wällen von Patashoqua, so gab es kaum mehr Hoffnung für ihn: Die Verfolger würden ihn einholen, bevor er eins der Tore passieren konnte.
    Durch den allgemeinen Lärm auf der Straße vernahm Gentle nun auch noch etwas anderes, und er drehte den Kopf, um in die betreffende Richtung zu sehen: Ein schlichtes Fahrzeug näherte sich von vorn mit heulendem Motor. Das offene Verdeck gewährte einen Blick auf den Fahrer - Pie'oh'pah, dem Himmel sei Dank! Der Mystif fuhr wie ein Irrer, und Gentle reagierte sofort. Von einem Augenblick zum anderen änderte er die Richtung, wandte sich dem Straßenrand zu und brach durch eine Gruppe von Pilgern.
    Die Schreie hinter ihm wiesen darauf hin, daß die Verfolger ebenfalls den Kurs wechselten, doch Pies Nähe schien Gentle Flügel zu verleihen. Allerdings: Er vergeudete seine Kraft.
    Pie'oh'pah bremste nicht etwa, um den Menschen einsteigen zu lassen, sondern beschleunigte statt dessen und hielt direkt auf die Jäger zu. Sie stoben sofort auseinander, als sie den heranrasenden Wagen sahen, und einige Sekunden später begriff Zacharias, auf wen es der Mystif abgesehen hatte: auf Hammeryock, der in einer Sänfte saß. Die Träger gerieten in Panik, und bei der Flucht entschieden sie sich für verschiedene Richtungen - zwei zerrten das Gefährt nach links, die beiden anderen nach rechts. Es knirschte laut, und eine Seite der Sänfte splitterte; Hammeryock fiel auf die Straße und blieb dort reglos liegen. Die Träger kümmerten sich nicht um ihn und flohen, was Pie'oh'pah zum Anlaß nahm, den Wagen her-umzureißen und zu Gentle zurückzukehren. Plötzlich hatten die 265

    Verfolger keinen Anführer mehr, und dieser Umstand blieb nicht ohne Auswirkungen auf ihre Entschlossenheit.
    Vermutlich waren sie gezwungen worden, in die Dienste der Pontifex zu treten, und niemand von

Weitere Kostenlose Bücher