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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Zähneknirschen erforderte. Sie wies ihre Zuhörer auf folgendes hin: Alle Fremden in Neo Vanaeph mußten Ursprung und Absichten registrieren lassen, bevor sie die Ein- oder Ausreiseerlaubnis erhielten. Auf den ersten Blick betrachtet, mochte die Barackenstadt gesetzlos erscheinen, aber offenbar täuschte dieser Eindruck. Die Frau bezeichnete sich als Pontifex Farrow, und allem Anschein nach hatte sie hier große Autorität.
    Nach ihrem Vortrag wandte sich Gentle verwirrt an Pie'oh'pah. Sein Unbehagen wuchs: Wenn er die Pontifex richtig verstanden hatte, so drohte sie mit der Hinrichtung, falls die beiden Befragten keine zufriedenstellenden Antworten gaben. Gentle zweifelte nicht daran, wer gegebenenfalls die Aufgabe des Henkers wahrnehmen sollte: das Geschöpf mit dem Kopf aus betenden Händen, der Nullianac.
    »Wir brauchen irgendeinen Beweis für Ihre Identität«, sagte Hammeryock. »Ausweise oder dergleichen.«
    »Ich habe keinen«, erwiderte Gentle.
    »Und Sie?« Er sah Pie an, der ebenfalls den Kopf schüttelte.
    »Spione«, zischte die Pontifex.
    »Nein, wir sind nur... Touristen«, sagte Gentle.
    »Touristen?« wiederholte Hammeryock.
    »Wir möchten die Sehenswürdigkeiten von Patashoqua bewundern.« Zacharias warf Pie einen Blick zu, der ihn um Hilfe bat. »Zum Beispiel...«
    »Das Grab des Vehementen Loki Lobb«, verkündete Pie und zögerte, als er versuchte, sich an die Kuriositäten von Patashoqua zu erinnern. »Das Fröhliche Ti' Ti'...«
    Dieser Klang gefiel Gentle, und er lächelte strahlend. »Ja, genau, das Fröhliche Ti' Ti'. Das Fröhliche Ti' Ti' möchte ich 251

    auf keinen Fall versäumen, nicht um allen Tee in China.«*
    »China?« entfuhr es Hammeryock.
    »Habe ich China gesagt?«
    »In der Tat.«
    »Die Fünfte Domäne...«, murmelte Pontifex Farrow.
    »Spione aus der Fünften Domäne.«
    »Ich protestiere gegen diesen Vorwurf«, ließ sich Pie'oh'pah vernehmen.
    »Und ich ebenfalls«, erklang eine Stimme hinter den Angeklagten.
    Pie und Gentle drehten sich um. Ihr erstaunter Blick fiel auf eine heruntergekommen wirkende Gestalt, deren Kleidung zum größten Teil aus Lumpen bestand. Sie balancierte auf einem Bein und kratzte sich mit einem Stock Kot vom Fuß.
    »Mich widert in erster Linie die Scheinheiligkeit an, Hammeryock«, sagte der Mann. In seinem faltigen Gesicht zeigten sich List und Schläue. Als er fortfuhr, musterte er erst den Lispelnden, dann auch die Frau. »Ihr rühmt euch dauernd damit, Unerwünschte aus den Straßen dieser Stadt fernzuhalten, aber gegen Hundekacke unternehmen Sie nie etwas.«
    »Diese Sache geht Sie nichts an, Tick Raw«, brummte Hammeryock.
    »Da irren Sie sich. Dies sind Freunde von mir, und Ihr Argwohn hat sie beleidigt.«
    »Freunde?« vergewisserte sich die Pontifex.
    »Ja, Ma'am. Freunde. Einige von uns kennen noch immer den Unterschied zwischen Konversation und Schmähreden. Ich habe Freunde, mit denen ich mich unterhalte, mit denen ich Meinungen und Ideen austausche. Erinnern Sie sich daran, was es mit Ideen auf sich hat? Sie machen das Leben überhaupt erst

    * eigentlich: nicht um alles Gold der Welt. Die Redewendung wurde hier wörtlich übersetzt, weil im Dialog auf China Bezug genommen wird. - Anmerkung des Übersetzers.
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    lebenswert.«
    Diese Respektlosigkeit seiner Herrin gegenüber gefiel Hammeryock nicht, aber wer Tick Raw auch sein mochte: Er schien Einfluß genug zu haben, um sich derartige Frechheiten erlauben zu können.
    An Gentle und Pie gewandt, fuhr er fort: »Und nun... Ich schlage vor, wir suchen mein bescheidenes Heim auf.«
    Tick Raw wählte eine ganz besondere Geste des Abschieds: Er warf seinen Stock so, daß er zwischen Hammeryocks Beinen im Schlamm landete.
    »Sorgen Sie hier für Sauberkeit, Loitus. Wir möchten doch nicht, daß der Autokrat in Kot ausrutscht, oder?«
    Die beiden Gruppen trennten sich voneinander. Tick Raw führte Pie und Gentle durch ein Labyrinth aus schmalen Gassen.
    »Vielen Dank«, sagte Zacharias.
    »Wofür?« fragte der Mann und trat nach einer Ziege, die ihm den Weg versperrte.
    »Weil Sie uns Schwierigkeiten erspart haben«, antwortete Gentle. »Wir möchten Ihnen jetzt nicht mehr zur Last fallen...«
    »Oh, Sie sollten mich auch weiterhin begleiten«, sagte Tick Raw.
    »Das ist doch nicht mehr notwendig...«
    »Nicht mehr notwendig? Es gibt gar keine größere Notwendigkeit!« Und zu Pie: »Das stimmt doch, oder?«
    »Wir wüßten Ihre Informationen sehr zu schätzen«, erwiderte der Mystif.

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