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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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drei Sprachen begannen: Pie übersetzte Gentles Worte in die Sprache, die Kuthuss verstand, der anschließend den anderen Hirten erklärte, worum es ging.
    Man wurde sich schnell einig - Bargeld schien für diese Leute eine große Rolle zu spielen. Allerdings trennten sie sich nicht von ihren eigenen Mänteln, sondern beschlossen statt dessen, vier Tiere zu schlachten und zu häuten.
    Man kochte das Fleisch, und ein Teil davon diente zum sofortigen Verzehr. Es erwies sich als fettig und zäh, aber weder Gentle noch Pie lehnten ab. Sie spülten es mit einem Getränk hinunter, das aus Schneewasser, getrockneten Blättern und einer besonderen Spezialität zubereitet wurde, die Kuthuss als ›Ziegenpisse‹ bezeichnete. Trotz dieses nicht gerade vielversprechenden Namens probierten sie einen Schluck - man trank das Zeug aus kleinen Gläsern und in einem Zug, wie Wodka. Gentle schnappte nach Luft und keuchte, als es in seiner Kehle brannte. Einige Sekunden später verkündete er, daß er sich gern zu einem Pisse-Trinker bekehren ließe.
    Am nächsten Tag nahmen sie Abschied von den Hirten. Ihre Ausrüstung bestand aus Ziegenfellen, Fleisch, mehreren Litern des hochprozentigen Getränks, einer Pfanne und zwei Gläsern, als sie in Richtung Hoher Paß aufbrachen. Erneut war das Wetter ziemlich schlecht, und schon nach kurzer Zeit stapften die beiden Doeki durch dichtes Schneetreiben. Die Begegnung mit den Hirten hatte die Stimmung der beiden Reiter erheblich 340

    verbessert, und während der nächsten zweieinhalb Tage kamen sie trotz der Witterung gut voran. Als die Abenddämmerung des dritten begann, ließ Gentles Tier immer wieder müde den Kopf hängen, und seine Hufe lösten sich kaum mehr aus dem tiefen Schnee.
    »Ich glaube, wir sollten rasten«, schlug Zacharias vor.
    Sie fanden eine Nische zwischen zwei großen Felsblöcken, und dort entzündeten sie ein Feuer, um das Hirtengetränk zu erwärmen. Es half ihnen mehr als das Fleisch, mit den ständigen Anstrengungen fertig zu werden. Zwar hatten sie versucht, vorsichtig damit umzugehen und nicht zuviel zu trinken, aber ihr knapper Vorrat ging allmählich zur Neige. Als sie zwischen den hohen Felsen hockten und die vom Alkohol geschaffene Wärme genossen, sprachen sie über den noch vor ihnen liegenden Weg. Kuthuss' mahnende Worte bekamen jetzt eine ganz konkrete Bedeutung. Das Wetter verschlechterte sich immer mehr, und die Wahrscheinlichkeit, hier oben anderen Reisenden zu begegnen, war praktisch gleich null. Wenn sie in Schwierigkeiten gerieten, durften sie also nicht mit Hilfe rechnen. Pie erinnerte Gentle an seine Überzeugung, daß sie nicht sterben würden - nicht einmal dann, wenn Hapexamendios ihnen das Chaos in Form von heftigen Schneestürmen schicken oder selbst kommen würde, um sie aufzuhalten.
    »Ich habe es ernst gemeint«, wiederholte Gentle. »Nach wie vor glaube ich, daß wir nicht in Lebensgefahr sind. Aber ein wenig Besorgnis kann wohl kaum schaden, oder?« Er hielt die Hände näher ans Feuer. »Ist noch Pisse im Topf?«
    »Nein.«
    »Wenn wir hierher zurückkehren...«, Gentle sah, wie Pie das Gesicht verzog und fügte rasch hinzu: »Wir kehren hierher zurück, verlaß dich drauf. Nun, dann besorgen wir uns das Rezept des Getränks und brauen es auch auf der Erde...«
    Die beiden Doeki ruhten einige Meter entfernt aus, und 341

    Gentle hörte ein schmerzerfülltes Schnaufen.
    »Chester!« rief er, sprang auf und eilte zu den Tieren.
    Sein ›Roß‹ lag auf der Seite. Blut strömte ihm aus Maul und Nüstern, schmolz den Schnee.
    »Verdammter Mist!« entfuhr es Gentle. Und: »Bitte stirb nicht, Chester.«
    Er legte eine tröstende Hand auf die Flanke des Doeki, der daraufhin den Kopf drehte und ihn aus trüben braunen Augen ansah. Dann stöhnte das Tier noch einmal und atmete nicht mehr.
    »Wir haben gerade fünfzig Prozent unserer Transportmittel verloren«, sagte Gentle zu Pie.
    »Sieh die Sache von der positiven Seite - immerhin haben wir jetzt genug Fleisch für eine Woche.«
    Zacharias sah das tote Tier an und wünschte sich nun, den Rat des Mystifs beherzigt und darauf verzichtet zu haben, dem Doeki einen Namen zu geben. Wenn er demnächst an seinen Knochen nagte, dachte er dabei an Klein...
    »Soll ich mich darum kümmern?« fragte er. »Es wäre nur recht und billig, oder? Er hat den Namen von mir bekommen -
    und deshalb sollte ich es sein, der ihn zerlegt.«
    Der Mystif widersprach nicht, riet Gentle nur, das andere Tier fortzubringen,

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