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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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aus einem Tisch mit zwei Stühlen bestand. An der Wand hinter dem Tisch hing ein Gemälde, das ein Kind zeigte - angesichts der überaus schlechten Darstellung ließ sich nicht einmal feststellen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Links von dem mit Aping signierten Bild bemerkte das körperlose Selbst eine zweite, ebenfalls geschlossene Tür. Doch auf der anderen Seite erklang eine Stimme - ein in Ekstase schnaufender Vigor N'ashap.
    »Noch einmal! Noch einmal!« keuchte er. Es folgten Worte in einer fremden Sprache, und dann: »Ja! Ja!«
    Gentle erreichte das andere Zimmer viel zu schnell, als daß er sich auf den dortigen Anblick hätte vorbereiten können.
    Selbst wenn ihm etwas mehr Zeit geblieben wäre - ihn hätte in jedem Fall eine Überraschung erwartet. Sie betraf nicht so sehr N'ashap, seine heruntergelassene Hose und den steifen, purpurnen Oethac-Schwanz, sondern Pie'oh'pahs Verfassung.
    Seit dem Erlebnis in New York hatte er den Mystif nicht nackt 451

    gesehen, und jetzt kam Pies gedemütigte Schönheit einem Schock gleich. Der unbedeckte Leib zeigte die gleiche Anmut wie das Gesicht, und das galt auch für die nun offensichtliche Ambiguität. Nirgends wuchsen Haare, und es fehlten Brustwarzen und Nabel. Pie kniete vor N'ashap, und das zwischen den gespreizten Beinen sichtbare Geschlechtsteil war Zentrum und Kern des metamorphierenden Wesens.
    Gentle sah weder Penis noch Vagina. Etwas ganz anderes bot sich seinen verblüfften Blicken dar, flatterte wie eine nervöse Taube im Schritt, veränderte seine Form mit jedem
    ›Flügelschlag‹. Für den geistigen Beobachter ging eine fast hypnotische Wirkung davon aus, und er glaubte, ein visuelles Echo seines eigenen Körpers zu sehen. Noch mehr: Er betrachtete den Himmel über Patashoqua und das Meer jenseits des Fensters, eine See, die nun erwachte, die zu lebendem Wasser wurde; er sah den Atemhauch in einer geschlossenen Faust; er sah die dadurch freigesetzte Kraft - alles zwischen den Schenkeln des Mystifs.
    N'ashap achtete überhaupt nicht darauf. Vielleicht war er viel zu erregt, um solchen - für ihn unwichtigen? - Details Beachtung zu schenken. Mit zernarbten Händen umklammerte er den Kopf des Mystifs, während er ihm sein Glied in den Mund stieß. Pie setzte sich nicht zur Wehr. Er ließ die Arme hängen, bis N'ashap ihn aufforderte, nach dem Penis zu greifen.
    Gentle ertrug die Szene nicht länger, und sein Selbst sauste durchs Zimmer, jagte dem Rücken des Oethac entgegen. Hatte Scopique nicht behauptet, Gedanken könnten große Macht entfalten? Wenn das stimmt..., dachte Zacharias. Dann bin ich jetzt ein diamanthartes Staubkorn. Er hörte, wie N'ashap voller Wonne stöhnte, als er in Pies Mund pumpte - und einen Sekundenbruchteil später erreichte er den Schädel des Oethac.
    Das Zimmer verschwand, und warmes Fleisch umgab Gentle auf allen Seiten. Das Bewegungsmoment trug ihn weiter, auf der anderen Seite verließ er das Gehirn, drehte sich und sah, 452

    wie N'ashap den Mystif losließ und die Hände zum eigenen Kopf hob. Ein schmerzerfüllter Schrei entrang sich der Kehle des Institutsleiters.
    Pies bisher ruhige Miene zeigte jähe Besorgnis, als Blut aus N'ashaps Nase tropfte. Gentle nahm diesen Vorgang mit einer gewissen Zufriedenheit zur Kenntnis, doch Pie stand erschrocken auf und griff nach einem beiseite gelegten Kleidungsstück, um damit die Blutung zu stillen. N'ashap lehnte es zunächst ab, sich helfen zu lassen, aber schließlich gab er der gleichzeitig sanften und drängenden Stimme des Mystifs nach, sank in einen gepolsterten Sessel und stieß Pie'oh'pahs Hände nicht mehr beiseite. Neues Unbehagen erfaßte Gentle, als er beobachtete, wie sich Pie mit hingebungsvoller Zärtlichkeit um den Oethac kümmerte. Verwirrt und angewidert wich er zur Tür zurück, durchdrang sie und gelangte ins Vorzimmer.
    Dort verharrte er eine Zeitlang vor Apings Gemälde. Als N'ashap im anderen Zimmer wieder zu stöhnen begann, setzte Zacharias den Weg fort, schwebte durchs steinerne Labyrinth und kehrte in seine Zelle zurück. Scopique und Aping hatten seinen Leib inzwischen aufs Bett gelegt: Das Gesicht war völlig ausdruckslos, der rechte Arm rutschte von der Brust herunter und baumelte über die Bettkante. Ich sehe tot aus, stellte das Ich fest. Zacharias näherte sich dem Körper und dachte daran, ihn einfach zu ignorieren, ihn sterben zu lassen.
    Doch damit waren zu viele Risiken verbunden. Angenommen, seine gegenwärtige

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