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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Brieftasche, streckte sie durchs Fenster und ließ sie auf den Beifahrersitz fallen.
    »Was soll das?« fragte der Taxifahrer.
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    »Mein ganzes Geld. Der Brief muß unbedingt den Adres-saten erreichen.«
    »Ihr ganzes Geld, wie?«
    Der Fahrer öffnete die Brieftasche. Sein Blick huschte zwischen ihrem Inhalt und der Straße hin und her.
    »Das ist ziemlich viel Kohle.«
    »Sie gehört Ihnen. Mir nützt sie nichts mehr.«
    »Sind sie krank?«
    »Und müde«, fügte Chant hinzu. »Nehmen Sie das Geld.
    Vergnügen Sie sich damit.«
    »Ein Mercedes folgt uns. Jemand, den Sie kennen?«
    Chant sah keinen Sinn darin, diesen Mann zu belügen. »Ja«, bestätigte er. »Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Entfernung zu ihm vergrößern könnten.«
    Der Fahrer verstand, steckte die Brieftasche ein und trat aufs Gas. Das Taxi stob wie ein Rennpferd los, und der Jockey lachte, übertönte das gutturale Dröhnen des Motors. Ob es am Geld lag oder der Herausforderung, einen Mercedes abzuhängen - der Mann am Steuer holte alles aus dem Wagen heraus und bewies, daß die massige Karosse nur den Anschein von Trägheit erweckte. In einer knappen Minute bogen sie zweimal nach links und einmal nach rechts ab und rasten durch eine so schmale Seitenstraße, daß sie selbst durch den kleinsten Fehler Außenspiegel, Türgriffe und Radkappen verloren hätten.
    Weitere scharfe Kurven folgten, und schon sauste das Taxi durch dunkle Gassen und näherte sich Southwark Bridge.
    Irgendwo unterwegs geriet der Mercedes außer Sicht. Unter anderen Umständen wäre Chant bereit gewesen, dem Fahrer zu applaudieren, aber die vom Floh hervorgerufene Fäulnis dehnte sich immer mehr aus, begleitet von heißer Qual. Während ihm noch fünf Finger gehorchten, beugte er sich erneut zum Fenster vor, schob den Brief hindurch und murmelte Estabrooks Adresse. Die Zunge fühlte sich dabei wie ein Fremdkörper im Mund an.
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    »Was ist los mit Ihnen?« fragte der Mann am Steuer. »Sie haben doch keine ansteckende Krankheit, oder?«
    »Nein...«, ächzte Chant.
    Der Fahrer sah in den Rückspiegel. »Sie sehen verdammt mies aus. Soll ich Sie nicht besser zu einem Krankenhaus bringen?«
    »Nein. Gamut Street. Ich möchte zur Gamut Street.«
    »Von jetzt an müssen Sie mir den Weg erklären.«
    Die Straßen hatten sich verändert. Keine Bäume mehr; abgerissene Häuser; Schmucklosigkeit statt Eleganz; Zweck statt Schönheit. Das Neue fürs Alte, ganz gleich, welche Nachteile der Tausch brachte. Chants letzter Aufenthalt in diesem Viertel lag mindestens zehn Jahre zurück. Das Gebäude an der Gamut Street... Stand es noch, oder war es einem Stahlbeton-Phallus gewichen?
    »Wo sind wir?« erkundigte er sich beim Fahrer.
    »Clerkenwell. Das ist doch ihr Ziel, oder?«
    »Ich meine, wo genau befinden wir uns?«
    Der Mann hielt nach einem Schild Ausschau.
    »Flaxen Street. Sagt Ihnen das was?«
    »Ja! Ja! Biegen Sie am Ende der Straße rechts ab.«
    »Haben Sie hier mal gewohnt?«
    »Vor langer Zeit.«
    »Eine ziemlich runtergekommene Gegend.« Der Fahrer drehte das Steuer nach rechts. »Und jetzt?«
    »Die erste Straße links.«
    »Stimmt.« Der Mann nickte. »Gamut Street. Welche Nummer?«
    »Achtundzwanzig.«
    Das Taxi hielt. Chant stieg aus und fiel fast auf den Bürgersteig. Er taumelte und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür, um sie zu schließen. Jetzt sah ihn der Fahrer zum erstenmal aus unmittelbarer Nähe, und was auch immer der Floh in Chants Körper anrichtete - es mußte jetzt 50

    offensichtlich geworden sein. Abscheu und Ekel zeigten sich in den Zügen des Mannes.
    »Sie bringen den Brief zur genannten Adresse, nicht wahr?«
    »Vertrauen Sie mir, Kumpel.«
    »Wenn ich Ihnen den Rat geben darf...«, sagte Chant.
    »Kehren Sie anschließend nach Hause zurück. Geben Sie Ihrer Frau einen Kuß. Und sprechen Sie ein Dankgebet.«
    »Warum?«
    »Danken Sie dem Himmel dafür, ein Mensch zu sein«, betonte Chant.
    Der Taxifahrer zuckte mit den Schultern.
    »Wie Sie meinen, Kumpel«, erwiderte er. »Ein Kuß für die bessere Hälfte daheim und ein Gebet. Geht klar. Stellen Sie bloß nichts Dummes an, in Ordnung?«
    Der Mann winkte kurz, gab Gas und überließ seinen Fahrgast der stillen Straße.
    Chant spähte durch die Dunkelheit und überlegte dabei, wie lange er sich noch auf seine Augen verlassen konnte. Diese Häuser waren in der Mitte von Sartoris Jahrhundert errichtet worden und schienen nun leerzustehen - vielleicht sollten sie bald

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