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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ich die anderen aus ihren Zellen holen«, 512

    entgegnete der alte Freund des Mystifs. »Pater Athanasius, Izaak, Squalling...«
    »Dafür haben wir keine Zeit«, sagte Zacharias. »Stimmt's, Pie? Entweder verschwinden wir jetzt von hier, oder es geht uns an den Kragen. Pie? He, schläfst du?«
    »Nein...«
    »Dann hör auf zu träumen. Wir müssen uns beeilen.«
    Scopique protestierte erneut dagegen, die anderen eingesperrt zu lassen, aber er führte seine Begleiter trotzdem nach draußen. Sie gelangten nicht etwa auf eine Plattform, die an einem Geländer oder einer Brüstung endete, sondern fanden sich auf nacktem Fels wieder.
    »Und jetzt?« drängte Gentle. Es erklangen Stimmen im Ge-bäude. Vermutlich war N'ashap befreit worden, und er alarmierte nun seine ganze Streitmacht. »Wir müssen zum Festland.«
    »Die Halbinsel«, sagte Scopique und deutete über die Wiege hinweg zu einem Streifen aus flachem Land, dessen Konturen sich undeutlich in der Finsternis abzeichneten.
    Die Dunkelheit war nun ihr wichtigster Verbündeter. Wenn sie schnell genug waren, konnten sie den Tarnmantel der Nacht überstreifen und den Verfolgern mühelos entkommen. Ein schmaler Pfad reichte an überhängenden Klippen vorbei zum Ufer, und Gentle beschritt ihn sofort, führte die Gruppe an.
    Praktisch alle seine Begleiter kamen Belastungen gleich: Huzzah, ein Kind; ihr Vater, von Schuldgefühlen gegeißelt; Scopique, der mehrmals zurücksah und an seine Gefährten dachte; und Pie, angesichts des Blutvergießens noch immer zutiefst erschüttert. Das Verhalten des Mystifs erschien dem Menschen ausgesprochen seltsam: Immerhin hatte er ihn als Killer kennengelernt. Die Reise hat uns beide verändert, dachte er.
    Als sie das Ufer erreichten, sagte Scopique: »Es tut mir leid.
    Ich kann nicht mitkommen. Setzt den Weg ohne mich fort. Ich 513

    kehre ins Gebäude zurück, um die anderen zu befreien.«
    Gentle versuchte nicht, ihm diese Absicht auszureden.
    »Wenn Sie darauf bestehen - viel Glück, Wir müssen weiter.«
    »Natürlich. Pie, entschuldige bitte, Freund, aber ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich jetzt meine Kameraden im Stich ließe. Wir haben zu lange gemeinsam gelitten.« Er ergriff die Hand des Mystifs. »Und bevor du mich darauf ansprichst: Ja, ich gebe gut auf mich acht, um am Leben zu bleiben. Ich kenne meine Pflicht und werde bereit sein, wenn die Zeit kommt.«
    »Ich weiß«, erwiderte Pie und umarmte den Mann, der ihm die Hand reichte.
    »Es dauert nicht mehr lange«, sagte Scopique.
    »Vielleicht geht es sogar zu schnell«, murmelte Pie. Einige Sekunden lang beobachtete er, wie Scopique über den Pfad zurückeilte. Dann drehte er sich um und folgte Gentle, Huzzah und Aping, die bereits zehn Meter auf dem harten See zurückgelegt hatten.
    Der kurze Wortwechsel zwischen Pie und Scopique war Zacharias nicht entgangen. Er bemerkte auch die subtilen Hinweise auf einen geheimen Plan und nahm sich vor, den Mystif danach zu fragen - später. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt dafür. Sie mußten vier oder fünf Kilometer zurücklegen, um die Halbinsel zu erreichen. Die hinter ihnen lauter werdenden Geräusche bewiesen N'ashaps Absicht, die Fliehenden einzufangen. Die Lichtkegel von Scheinwerfern tasteten an der Küste entlang, als erste Wächter übers erstarrte Wasser liefen. Hinter den Mauern der Anstalt ertönten die Schreie der Gefangenen, die nun ihrem Zorn Luft machten. Der Lärm mochte die Verfolger ebenso desorientieren wie die Nacht, aber sicher nicht für lange.
    Die Scheinwerfer entdeckten Scopique, und ihr Licht glitt über einen immer breiteren Uferbereich. Aping trug Huzzah, wodurch sie etwas schneller vorankamen. Gentle glaubte schon, daß sie tatsächlich eine Chance hatten, als sie von den 514

    hin und her tastenden Lichtkegeln berührt wurden. Fast sofort knallten Schüsse, doch die Kugeln verfehlten das Ziel.
    »Die Wächter erwischen uns bestimmt«, keuchte Aping.
    »Wir hätten uns ihnen ergeben sollen.« Er setzte seine Tochter ab, warf seine Waffe fort und wandte sich wütend an Gentle.
    »Warum habe ich auf Sie gehört? Ich muß verrückt gewesen sein.«
    »Wenn wir hier stehenbleiben, werden wir erschossen«, sagte Zacharias. »Auch Huzzah. Wollen Sie das?«
    »Man wird uns nicht töten.« Aping hielt das Mädchen mit einer Hand fest und hob die andere Hand ins Licht der Scheinwerfer. »Nicht schießen!« rief er. »Nicht schießen!
    Captain? Captain! Sir! Wir ergeben uns!«
    »Narr«, brummte

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