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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ihm. Kaum jemand störte sich an ihm, solange Frieden in der Stadt herrschte und die Geschäfte gut gingen.
    Was die Steuern betrifft... Sie sind natürlich eine Last gewesen, für uns alle, insbesondere für Familienväter wie mich, aber eins steht fest: Wir waren hier besser dran als in Patashoqua oder Iahmandhas. Nein, eigentlich halte ich ihn nicht für einen Tyrannen. Man denke nur an die Situation, als er damals zu uns kam: überall Chaos! Kesparaten, die gegeneinander Krieg führten. Der Autokrat brachte Stabilität. Und auf dieser Basis wurde der Wohlstand möglich. An seiner Politik gibt es kaum etwas auszusetzen - die Schuld trifft sie. Sie führt ihn ins Verderben. Alles war in bester Ordnung, bis sie sich einzumischen begann. Vermutlich glaubt sie sogar, uns mit ihren Auftritten einen Gefallen zu erweisen.«
    »Haben Sie Quaisoir schon einmal... gesehen?« erkundigte sich Judith.
    »Nein, nicht persönlich. Sie bleibt in ihrem Wagen, selbst dann, wenn sie Hinrichtungen beobachtet. Nun, heute soll sie sich ganz offen gezeigt haben - angeblich gibt es Leute, die ihr Gesicht sahen. Sie beschrieben es als häßlich und fratzenhaft.
    Was mich kaum überrascht. Die vielen Exekutionen sind Quaisoirs Idee. Offenbar findet sie großen Gefallen daran. Und damit fällt sie den Leuten auf die Nerven. Steuern, ja...
    Gelegentlich eine Säuberungsaktion, dann und wann politische Prozesse... Das können wir akzeptieren. Aber das Gesetz darf nicht zu einem öffentlichen Spektakel werden. Dadurch fühlen sich die Leute verspottet, und so etwas geht ihnen gegen den 603

    Strich. Wir haben das Gesetz immer ernst genommen.«
    Hebbert sprach noch länger auf diese Weise, aber Judith hörte gar nicht mehr zu und versuchte, die in ihr brodelnden Gefühle zu verbergen. Quaisoir, die Frau mit ihrem Gesicht, war keine Statistin im Leben von Yzordderrex, sondern eine der beiden Potentaten: als Gemahlin des Autokraten herrschte sie mit ihm über die Welten von Imagica. Konnte jetzt noch ein Zweifel daran bestehen, daß Jude aus einem ganz bestimmten Grund in diese Stadt gekommen war? Sie hatte ein Gesicht, dem Macht zugeordnet war. Ein Gesicht, das kaum jemand kannte und das dem Autokraten von Yzordderrex Fügsamkeit abverlangte. Die Frage lautete: Was bedeutete das alles? War sie nach einem ganz normalen Leben auf der Erde in diese Domäne gerufen worden, auf daß sie etwas von der Macht schmecken könne, die andere Personen für selbstverständlich hielten? Oder stellte sie eine Art Ablenkungsmanöver dar?
    Sollte sie vielleicht für Quaisoirs Verbrechen büßen? Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte: Wer steckte dahinter? Von wem stammte der Ruf, dem sie hierher gefolgt war? Kam er von einem Maestro, der Zugang zur Fünften hatte und dort über Helfer verfügte? Spielte Godolphin eine Rolle bei der Verschwörung? Oder Dowd? Ja, eine solche Vermutung erschien ihr durchaus plausibel. Und Quaisoir? Wußte sie von den Plänen, die man in ihrem Interesse schmiedete? Oder ahnte sie nichts davon?
    Heute abend werde ich es erfahren, dachte Judith. Heute abend wollte sie Quaisoir begegnen, wenn sie auf dem Weg war zu ihrem Engel schickenden Geliebten. Heute abend würde sie herausfinden, als was man sie aus der Fünften Domäne geholt hatte - als Schwester oder als Sündenbock.
    604

    KAPITEL 33
    Gentle hielt sich an die Vereinbarung mit Pie. Zusammen mit Huzzah blieb er in dem Cafe, bis der Komet hinter die Berge glitt und das Zwielicht der langen Abenddämmerung begann.
    Dabei wurde nicht nur seine Geduld auf die Probe gestellt, sondern auch die Nerven: Im Verlauf des Nachmittags dehnten sich die Unruhen in den unteren Kesparaten immer mehr aus, und schon bald wurde klar, daß sich auch dieser Bereich der Stadt bis zum Abend in ein Schlachtfeld verwandeln würde.
    Die anderen Leute gaben ihre Plätze an den Tischen auf, als das Krachen von Schüssen lauter wurde. Rußflocken fielen von einem Himmel, den der Rauch brennender Häuser immer mehr verdunkelte.
    Als man die ersten Verwundeten durch die Straße trug - was darauf hindeutete, daß sich die Kampfzone nun in unmittelbarer Nähe erstreckte -, versammelten sich die Inhaber mehrerer Läden und Geschäfte zu einer Lagebesprechung im Cafe. Schon bald begannen die Leute, hingebungsvoll zu fluchen, und Gentle hörte dabei einige interessante Formulierungen. Zwei von ihnen brachen auf und kehrten einige Minuten später mit Waffen zurück. Der Geschäftsführer des Cafes, ein Mann

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